U-Bahn in London Ein Schaden von 180 Millionen Euro

LONDON · Viele Londoner, die sich gestern Morgen mit der U-Bahn auf den Weg zur Arbeit machen wollten, standen vor geschlossenen Stationen: "Kein Service an dieser Haltestelle", hieß es auf den Schildern, die an die eisernen Gitter geheftet waren.

 Ein Streik der Londoner U-Bahn-Mitarbeiter hat gestern Millionen Menschen Probleme bereitet. Pendler und andere Nutzer der "Tube" reihten sich an den Bushaltestellen in lange Schlangen ein.

Ein Streik der Londoner U-Bahn-Mitarbeiter hat gestern Millionen Menschen Probleme bereitet. Pendler und andere Nutzer der "Tube" reihten sich an den Bushaltestellen in lange Schlangen ein.

Foto: dpa

Die Folge: An Bushaltestellen und den wenigen U-Bahn-Stationen, an denen der städtische Verkehrsbetreiber "Transport for London" (TfL) einen eingeschränkten Dienst angeboten hatte, bildeten sich lange Schlangen, die Bahnsteige waren verstopft mit Pendlern, die ihr Glück versucht hatten. Auch die Straßen litten unter dem vermehrten Verkehrsaufkommen, es kam zu kilometerlangen Staus, und die einzigen, die sich über den Ausnahmezustand in der englischen Hauptstadt freuten, waren die Taxifahrer, die an diesem Tag deutlich mehr Umsatz machten als sonst.

Seit Montagabend streiken die Mitarbeiter der Londoner U-Bahn für 48 Stunden aus Protest gegen die Schließung der Ticketschalter. Etwa 960 Stellen sollen im Zuge dessen gestrichen werden.

Vier Millionen Menschen nutzen die älteste U-Bahn der Welt täglich. Sie werden noch bis Mittwochabend auf alternative Verkehrsmittel umsteigen müssen, erst dann soll die Tube, wie sie bei den Briten genannt wird, wieder ihren regulären Dienst aufnehmen.

Doch damit nicht genug: Für die kommende Woche hat TfL eine weitere Protestaktion angekündigt, sollte keine Vereinbarung zustande kommen. Doch das scheint unwahrscheinlich. Bürgermeister Boris Johnson konnte sich mit den Gewerkschaften RMT und TSSA bereits in den vergangenen Tagen und Wochen nicht auf eine Absage des Streiks einigen. Er nannte ihn "zwecklos und verrückt".

Premierminister David Cameron verurteilte die Arbeitsniederlegung als "ungerechtfertigt und inakzeptabel". Der Streik werde die Stadt laut Schätzungen 150 Millionen Pfund, umgerechnet rund 180 Millionen Euro, kosten. "Pendler und Unternehmen leiden, nur weil ein paar wenige engstirnige Herren von RMT in einem Führungsstreit ihre Muskeln spielen lassen", sagte Boris Johnson.

Dabei würden nur 30 Prozent der Gewerkschaftsmitglieder den Streik unterstützen. Doch gerade der Bürgermeister steht massiv in der Kritik. Immerhin hatte er im Wahlkampf 2008 versprochen, die Fahrkartenschalter zu erhalten. Als im Februar die U-Bahn-Mitarbeiter zum letzten Mal die Stadt lahmgelegt hatten, rechtfertigte sich Johnson, sein Wahlversprechen stamme aus einer Zeit vor der "Erfindung des iPhones". Nun aber habe die technologische Entwicklung einen Sprung gemacht, so dass das Personal an den Schaltern ersetzt werden könne. Billiger und besser für die Kunden bezeichnete er seine Pläne.

Mithilfe der angekündigten Sparmaßnahmen könnte der städtische Verkehrsbetreiber umgerechnet rund 60 Millionen Euro pro Jahr sparen. Derweil sehen es die meisten Londoner gelassen. "Wir sind dieses Theater gewohnt", sagt die Londonerin Zoe, die gestern Morgen mit Hunderten anderen Menschen vor der Londoner Station "Angel" stand. Sie kann die Mitarbeiter verstehen, auch wenn sie nun die dreifache Zeit zur Arbeit in die City benötigt.

"Es ist die Schuld der Politiker, es geht immer nur ums Sparen", zeigt sie sich solidarisch. Dann verschwindet sie in einer der Bus-Warteschlangen.

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