Gesetzentwurf zur Sterbehilfe "Kein Herzensanliegen"

BERLIN · Dreimal beeilt sich der Sprecher der Bundesjustizministerin zu beteuern, dass der am Mittwoch bekannt gewordene Entwurf zur gesetzlichen Neufassung der Sterbehilfe kein "Herzensanliegen" von Sabine Leutheusser-Schnarrenberger sei. Zu sensibel ist das Thema, mit dem man in der öffentlichen Wahrnehmung nur schwer punkten kann.

 Das Betäubungsmittel Natrium-Pentobarbital und ein Glas Wasser stehen in einem Zimmer des Sterbehilfe-Vereins Dignitas in Zürich.

Das Betäubungsmittel Natrium-Pentobarbital und ein Glas Wasser stehen in einem Zimmer des Sterbehilfe-Vereins Dignitas in Zürich.

Foto: dpa

Das mag sich auch die Justizministerin gedacht haben. Sie ist in den Urlaub gefahren. Aber da die Neuregelung im 2009 abgeschlossenen Koalitionsvertrag zwischen Union und FDP fest vereinbart worden war, musste das Justizministerium etwa 15 Monate vor den nächsten Bundestagswahlen liefern.

Schon im Frühjahr hatten die Koalitionsparteien erheblichen Druck auf die Ministerin ausgeübt. Man wollte in der Frage der Sterbehilfe schell eine Grenzlinie ziehen zwischen der Behandlung tragischer Einzelfälle und dem kommerziell begleiteten Todeskampf.

Ein Gesetzentwurf muss nicht notwendigerweise eine einheitliche Haltung der Beteiligten beschreiben. Die FDP warnt schon seit längerem davor, eine generelle Strafandrohung wegen Beihilfe auszusprechen. FDP wie die Unionsparteien sind in einem Punkt einig: Die mit der Unterstützung einer Selbsttötung befassten Personen dürfen nicht systematisch Geld mit ihre Sterbebegleitung erzielen.

Hier beginnen die unterschiedlichen Meinungen: CDU und CSU wollen eine Sterbehilfe gegen Geld grundsätzlich verbieten. Die Liberalen argumentieren gegen eine generelle Strafandrohung für die Beihilfe zur Selbsttötung.

Kritik kam gegen den Gesetzentwurf auch aus den Reihen der Ärzteschaft: Ärztepräsident Frank Ulrich Montgomery plädiert vehement gegen Veränderungen der Gesetzesvorschriften. Die Verbandsmitglieder hätten sich erst kürzlich auf einer Bundesversammlung mit Zweidrittelmehrheit gegen die ärztliche Sterbehilfe ausgesprochen. Montgomery: "Als Sterbehelfer stehen wir nicht zur Verfügung." Und er ließ seinem Ärger freien Lauf: "Das ist ein Stück aus dem Tollhaus."

Diese grundsätzliche Ablehnung teilt der Präsident der Berliner Ärztekammer, Günther Jonitz. Aber er fügt auch hinzu: "In begründeten Ausnahmefällen können die Ärzte die Sterbenden von ihrem Leid befreien." Die Rolle der Ärzte sei ziemlich weitgespannt.

In dem nun vorgelegten Gesetzentwurf bekennt sich die Justizministerin grundsätzlich zu einer harten Bestrafung der Sterbehelfer, wenn sie denn ihre Arbeit gewerblich betreiben. Die Sterbebeihilfe für Angehörige und andere "nahstehenden Personen" bleibt straffrei.

Die parlamentarischen Beratung und die Reaktion in den Verbänden soll Klarheit darüber schaffen, wie man zu einer wasserdichten Definition dieses Personenkreises kommen kann. Darunter können auch Ärzte und Pfleger fallen, wenn eine über das rein berufliche Verhältnis hinausgehende, länger andauernde persönliche Beziehung besteht.

Konkret erwähnt werden die behandelnden Ärzte und Pfleger. Nach Ansicht der Gesetzesautoren werden durch die Neuregelung Ärzte nicht automatisch straffrei gestellt.

Gerechnet wird mit heftigen Auseinandersetzungen. "Kein Gesetz verlässt das Parlament ohne Änderungen", wird in der Unionsfraktion die Aussage des SPD-Politiker Peter Struck zitiert. Die Union will sich vor allem mit Blick auf die konservative Wählerschaft in dieser Frage nicht verbiegen lassen, wie immer wieder betont wurde.

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