"In Vielfalt geeint"

Im früheren Plenarsaal in Bonn beriet die Adenauer-Stiftung über die EU-Verfassung

Erwin Teufel  sprach im früheren Plenarsaal zum EU-Verfassungsvertrag.

Erwin Teufel sprach im früheren Plenarsaal zum EU-Verfassungsvertrag.

Foto: ap

Bonn. Erwin Teufel (CDU), der Ministerpräsident von Baden-Württemberg, nimmt auf dem Stuhl des Bundeskanzlers Platz. Beifall im Bundestag am Rhein. Zwei Stunden später wird Peter Müller, sein Kollege aus dem Saarland, ebenso im Hohen Haus begrüßt, dessen Plenum dem Begriff diesmal Ehre macht: Volles Haus.

Keine Szene aus anderen Bonner Zeiten, sondern Gegenwart: Die Konrad-Adenauer-Stiftung hatte am Montag mit dem Bonner Wissenschaftler und Politiker Stephan Eisel einen Europa-Kongress im früheren Plenarsaal zustandegebracht, der dem Ort angemessen ist.

"Europa - Mut zur Vision" - unter diesem Leitwort redeten Erwin Teufel zum EU-Verfassungsvertrag - zu dem er als Beauftragter des Bundesrates im EU-Konvent Entscheidendes zugunsten der Kompetenzabgrenzung und der Subsidiarität beigetragen hatte - und Peter Müller über Föderalismus und Zentralismus in Deutschland und Europa. Mit ihnen diskutierten der Bundestagsabgeordnete Peter Altmaier (CDU), der niederländische Abgeordnete René van der Linden und die Journalisten Pierre Bocev (Le Figaro) und Gisbert Kuhn (General-Anzeiger).

Erwin Teufel sprach angesichts seiner zeitweiligen Rückkehr nach Bonn von "Wehmut": "Bonn steht für Europa." Er verteidigte den Kompromiss des Konvents, auch wegen der Möglichkeit der nationalen Parlamente - damit des Bundesrates und indirekt der Länder - Verletzungen des Subsidiaritätsprinzips notfalls beim Europäischen Gerichtshof heilen zu können.

Über dieses Prinzip, dass möglichst die Städte und Kommunen zuerst zuständig sind, ehe die Länder und Regionen, die Nationalstaaten oder die EU etwas regeln, waren sich mit Ausnahme des französischen Journalisten alle einig. Als wichtigsten Satz des Entwurfs bezeichnete Teufel den erst im letzten Moment eingefügten: "In Vielfalt geeint."

Nach der Türkei gefragt, sprach sich Teufel klar gegen deren Beitritt aus. Europa müsse seine Grenzen definieren. Die Türkei sei ein besonders wichtiger Partner und deshalb in der NATO, aber kein europäischer Staat. Sie sollte über einen besonderen Nachbarschaftsvertrag mit der EU verbunden werden. Teufels Nein zum türkischen Beitritt widersprach der niederländische Abgeordnete. Die europäischen christlichen Demokraten sind sich in dieser Frage nicht einig.

Peter Müller stellte den Zusammenhang zwischen einer nötigen Föderalismusreform in Deutschland und der selbst im Zentralstaat Frankreich erkannten Notwendigkeit der Dezentralisierung und Stärkung eines "Europa der Regionen" her. In der deutschen Reformdiskussion lehnte er eine Länderneugliederung ab.

Wichtiger seien die Neuordnung der Zuständigkeiten von Bund und Ländern mit einer Stärkung der Landesparlamente, die Einführung einer Zugriffsmöglichkeit der konkurrierenden Gesetzgebung der Länder für deren "solidarischen Wettbewerb" sowie eine Neuordnung der Finanzbeziehungen von Bund und Ländern.

Müller trat für eine stärkere Regionalisierung Europas ein und verwies dabei auf die enge grenzübergreifende Zusammenarbeit zwischen dem Saarland, Lothringen, Luxemburg und einem Teil der belgischen Wallonie in der Region Saar-Lor-Lux.

Die Adenauer-Stiftung will ihre Veranstaltungen im Bundeshaus fortsetzen. Am 12. Januar 2004 kommt Lothar Späth.

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