Fall der Rauschendorfer Kitaleiterin Eva Müller stellt ihr Buch im Buchladen 46 vor

SIEBENGEBIRGE · Vor genau einem Jahr sorgte der Fall Rauschendorf bundesweit für Aufsehen. Der Kirchengemeindeverband hatte der Leiterin des katholischen Kindergartens, Bernadette Knecht, gekündigt, weil sie ihren Mann verlassen hatte und bei ihrem neuen Lebenspartner eingezogen war. Der Fall war jetzt Gegenstand einer Veranstaltung im Bonner Buchladen 46.

Eva Müller ist zurzeit eine gefragte Frau. Wäre ihr nicht Rainer Brüderle mit der Sexismus-Debatte dazwischengekommen, wäre die 32-jährige freie Journalistin aus Köln am vergangenen Sonntag in der Talkshow von Günther Jauch zu Gast gewesen. An diesem Sonntag soll das nachgeholt werden.

"In Gottes Namen - wie gnadenlos ist die Kirche?", lautet der Titel der Sendung, bei der es um die Rolle der Kirchen als Arbeitgeber geht. Besondere Aktualität hat das Thema durch die Abweisung von vergewaltigten Frauen in katholischen Krankenhäusern gewonnen. Vor drei Wochen ist Müllers Buch "Gott hat hohe Nebenkosten. Wer wirklich für die Kirchen zahlt" erschienen, das in dieser Woche auf Platz 13 der Spiegel-Bestsellerliste steht.

In der Dokumentation geht es um den Fall Rauschendorf. Der Kirchengemeindeverband hatte Bernadette Knecht im Januar 2012 wegen eines Loyalitätsverstoßes gegen das kirchliche Arbeitsrecht gekündigt. Weil sie ihren Mann verlassen hatte und bei ihrem neuen Lebenspartner eingezogen war, war die 47-Jährige nach dem Urteil der Kirche "ein schädliches Ärgernis", das nicht mehr tragbar war.

Eltern und Vereine kämpften damals darum, dass die beliebte Leiterin in der Einrichtung bleiben durfte. Mit Erfolg. Die Stadt kündigte nach einem Beschluss des Jugendhilfeausschusses den Vertrag mit der Kirche. Heute ist Bernadette Knecht immer noch Kita-Leiterin - allerdings unter Trägerschaft des Christlichen Jugenddorfwerks (CJD). Der Fall erregte bundesweit Aufsehen, weil er zum Muster für vergleichbare Fälle in der Zukunft taugte. Auch wenn es nicht zum Prozess vor dem Arbeitsgericht kam, weil die Kirche die Kündigung zurückzog.

Die aufregenden Wochen vor einem Jahr für den kleinen Ort im Bergbereich von Königswinter werden noch einmal wach, als Eva Müller in dieser Woche im Bonner Buchladen 46 zu Gast ist. Im Gespräch mit Hansjürgen Melzer, der für den General-Anzeiger über den Fall Rauschendorf berichtete. An Authentizität gewinnt die Veranstaltung auch dadurch, dass der Lebenspartner von Bernadette Knecht und die betroffenen Eltern anwesend sind und sich an der regen Diskussion beteiligen.

Bis zu diesem Abend ist manchem Besucher im Publikum nicht klar gewesen, was Eva Müller über den Fall Rauschendorf hinaus zum Gegenstand ihres Buches gemacht hat: Die öffentliche Hand finanziert kirchliche Einrichtungen - wie auch in Rauschendorf - häufig fast vollständig, ihre Arbeitnehmer unterliegen aber einem eigenen Arbeitsrecht. Für rund 1,3 Millionen Beschäftigte in kirchlichen Krankenhäusern, Altenheimen und Kindergärten gilt das Betriebsverfassungsgesetz nicht. Sie haben zum Beispiel kein Streikrecht. Obwohl die Zahl der Katholiken in der Gesellschaft immer weiter abnimmt, steigt die Zahl der Einrichtungen in kirchlicher Trägerschaft immer weiter.

Überrascht sind die Gäste im Buchladen, als sie erfahren, dass Knecht eine Stelle in Bonn hätte antreten können, weil sie dort kein "schädliches Ärgernis" wäre, da die Leute dort über ihre Lebensverhältnisse ja nicht informiert wären. Oder dass die Kirche ihrer Angestellten anbot, in einem Schreiben ans Generalvikariat zu beteuern, dass sie keine Beziehung mit ihrem neuen Partner eingegangen sei, sondern bei ihm nur Unterschlupf in einer Wohngemeinschaft gefunden habe. Dann hätte die Kita-Leiterin bleiben können. Knecht weigerte sich, den ihr von der Kirche vorgelegten Entwurf zu unterschreiben.

Eva Müller: "Gott hat hohe Nebenkosten, wer wirklich für die Kirchen zahlt", Verlag Kiepenheuer & Witsch, 208 Seiten, 14,99 Euro.

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