Rhein-Sieg-Kreis Feuerwehr erfüllt die vorgegebenen Fristen in vielen Kommunen nicht

RHEIN-SIEG-KREIS · In den 19 Kommunen des Rhein-Sieg-Kreises haben manche Feuerwehren ein Problem, sagt Kreisbrandmeister Walter Jonas: Sie treffen zu spät am Einsatzort ein.

Nach den 2012 neu definierten Anforderungen an Feuerwehren muss eine erste Einheit grundsätzlich in mindestens 80 Prozent der Alarmierungen innerhalb von acht Minuten am Einsatzort eintreffen, erklärt Jonas. Diese Zeit wurde gewählt, um bei einer Rauchgasvergiftung, Durchzündung oder Beeinträchtigung der Standsicherheit eines Hauses noch eingreifen zu können. Verstärkung sollte etwa in 80 Prozent der Fälle fünf Minuten später zur Stelle sein, so dass der Einsatzleiter nach 13 Minuten über 22 Funktionsträger verfügen kann.

In Wachtberg sank etwa die Erfüllungsquote der ersten Hilfsfrist zuletzt geradezu dramatisch ab, von 40 (2012) auf 23 Prozent im vergangenen Jahr, sagt Wehrführer Markus Zettelmeyer. Sein Problem ist: Es fehlt an Personal. Trotz der seit langem diskutierten Schwachstellen liegt die Fortschreibung des Brandschutzbedarfsplanes auf Eis.

Unterstützung von Politik und Verwaltung bekommt Stefan Schumacher, Feuerwehrchef in Swisttal, zwar, aber auch hier fehlt es an Kräften: "Die Erfüllungsquote der ersten Hilfsfrist schaffen wir ebenfalls nicht. Das steht so im Brandschutzbedarfsplan." Vor allem bei einem Tagesalarm kann Schumacher zunächst nur auf jene elf Mann bauen, die bei der Gemeinde beschäftigt sind, die anderen Feuerwehrleute arbeiteten oft weit entfernt.

Dass viele Wehren die Vorgaben nicht erfüllen, hängt nicht nur mit fehlendem Personal zusammen. Im Falle der Windecker Feuerwehr, die in der Vergangenheit die Vorgaben ebenfalls nicht oft genug erreichen konnte, handelt es sich laut Jonas um eine große Flächengemeinde: "Da könnten Einsatzkräfte selbst bei optimaler Personalausstattung entlegene Weiler nicht in den vorgegebenen Zeiten erreichen." Aber der Kreisbrandmeister sagt auch: "Dort, wo die Feuerwehr einen guten Kontakt zu Politik und Verwaltung hat, fällt auf, dass die Hilfsfristen in der Regel mit einer besseren Quote erfüllt werden." Das sei etwa in Sankt Augustin und Meckenheim der Fall: Hier liegen die Quoten bei um die 80 Prozent.

Die Frage, die sich nun stellt: Wer haftet, wenn eine Feuerwehr erwiesenermaßen zu spät eintrifft? Bei der Kölner Bezirksregierung nachgefragt, wie verbindlich die Fristen sind, erklärt Sprecherin Freia Johannsen: "Die Gewährleistung eines angemessenen Feuerschutzes ist nach dem Feuerschutz- und Hilfeleistungsgesetz NRW eine eigenverantwortlich von der Gemeinde wahrzunehmende Pflichtaufgabe." Aufsichtsbehörden für kreisangehörige Gemeinden seien die Kreise. Zur Unterstützung der Kreise bei ihrer Aufsichtsfunktion wurde 1997 ein "Grundlagenpapier" mit fachlichen Empfehlungen zur Planung und Bewertung des Feuerschutzes in Gemeinden mit Freiwilligen Feuerwehren herausgegeben.

Dieses Papier wurde laut Bezirksregierung 2012 überarbeitet. "Es hat lediglich empfehlenden Charakter und stellt keinen kommunalen Standard dar", so die Sprecherin weiter. Durch organisatorische Maßnahmen müsse aber Rechnung getragen werden, dass sowohl freiwillige wie hauptamtliche Wehren "die Rettung von Menschen nach einer fachlich gebotenen Hilfsfrist" gewährleisten.

Dabei sei es die Aufgabe des Rhein-Sieg-Kreises, "fortwährend darauf zu achten, dass die Gemeinden die in ihren Brandschutzbedarfsplanungen eigenverantwortlich festgelegten Hilfsfristen auch in der Realität einhalten". Wer haftet, wenn die Fristen nicht eingehalten werden, ist laut Bezirksregierung klar: "Aufgabenträger im Feuerschutz sind die Gemeinden", so Johannsen: "Im Einzelfall kann bei Nichteinhalten der selbst gesetzten Fristen ein Organisationsverschulden in Betracht kommen."

Kurz gefragt

Rechtsanwalt Carsten Veenker ist Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Mitglied im Bonner Anwaltverein. Über die Nichteinhaltung von Hilfsfristen sprach mit ihm Axel Vogel.

Herr Veenker, wer haftet, wenn die Feuerwehr zu spät kommt?
Carsten Veenker: Die Gemeinde trägt die volle Verantwortung dafür, dass das örtlich vorhandene Gefährdungspotenzial durch eine entsprechende leistungsfähige Feuerwehr beherrscht werden kann. Sie muss hierzu einen Brandschutzbedarfsplan erstellen, der die einzuhaltenden Hilfsfristen, aber auch die personelle und materielle Ausstattung regelt. Stellt sich bei einem Großbrand oder sonstigen Unglücksfall heraus, dass die von der Gemeinde vorgehaltene Feuerwehrstärke in sachlicher, personeller oder zeitlicher Hinsicht nicht ausgereicht hat, ist eine Haftung für diese Versäumnisse durchaus denkbar.

Auch dann, wenn den Einsatzleiter kein persönliches Verschulden trifft?
Veenker: Es kommt dann eine sogenannte Amtshaftung unter dem Gesichtspunkt des Organisationsmangels in Betracht, weil die Gemeinde Feuerschutz und Hilfeleistung nicht so organisiert hat, wie es das Gesetz fordert. Die Haftung trifft dann die Gemeinde, was im Übrigen nicht nur für die Berufsfeuerwehr, sondern auch für die freiwillige Feuerwehr gilt.

Hätte die Klage Aussicht auf Erfolg?
Veenker: Ob ein Geschädigter erfolgreich Ersatz für Körper- oder Vermögensschaden verlangen kann, hängt vom Einzelfall ab. Die Nichteinhaltung der Hilfsfristen muss auf einer schuldhaften Pflichtverletzung der Gemeinde beruhen. Die Gemeinde kann sich unter Umständen aber entlasten. Etwa wenn die Verspätung darauf zurückzuführen ist, dass eine Feuerwehrzufahrt zugeparkt war.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort