Asylsuchende in Bornheim Als die Turnhalle zur Wohnstätte wurde

BORNHEIM · Vor einem Jahr fuhr der erste Bus mit Flüchtlingen an der Bornheimer Notunterkunft vor.

 Eine von zehn Containerunterkünften: An dem mobilen Heim in Hemmerich müssen noch Schäden am Dach beseitigt werden. FOTO: JAGODZINSKI

Eine von zehn Containerunterkünften: An dem mobilen Heim in Hemmerich müssen noch Schäden am Dach beseitigt werden. FOTO: JAGODZINSKI

Foto: Antje Jagodzinski

Stundenlanges Warten, der Wille gemeinsam zu helfen und die Ungewissheit, was da eigentlich auf die Stadt Bornheim und ihre Bürger zukommt, bestimmten den Abend des 20. August 2015: Vor einem Jahr rollte um 22.15 Uhr – sechs Stunden später als von der Bezirksregierung angekündigt – der erste Bus mit 54 Flüchtlingen an der zur Notunterkunft umfunktionierten Turnhalle der Bornheimer Johann-Wallraf-Grundschule vor.

Bis nachts um 3 Uhr kümmerten sich Mitarbeiter der Stadt und der Malteser sowie ehrenamtliche Helfer, darunter auch Asylsuchende, die als Dolmetscher einsprangen, um die Ankömmlinge. In einem Kraftakt hatte die Verwaltung, unterstützt von Feuerwehr und Hilfsdiensten, die Halle in Amtshilfe für die Bezirksregierung kurzfristig mit Etagenbetten und Stellwänden sowie einem Spielzimmer und einem Raum mit Waschmaschinen zu einer Erstaufnahme ausgestattet. Denn die regulären Anlaufstellen des Landes waren überfüllt.

Thomas Mandt, heute Abteilungsleiter Soziales, der die Einrichtung koordinierte, erinnert sich noch gut daran, wie er sich am Wochenende zu Hause vor ein großes Blatt Papier gesetzt habe, um zu überlegen, was man für eine Notunterkunft wohl so alles benötigt. „Nachher habe ich ein ganzes Paket Blätter verbraucht“, erzählt er. Besonders in Erinnerung geblieben sei ihm das Engagement der Verwaltungsmitarbeiter: „Wir haben dezernatsübergreifend an einem Strang gezogen“, so Mandt. Auch „die Willkommenskultur, die im Ehrenamt herrschte“, hebt er lobend hervor. Und auch beauftragte Firmen und Handwerker hätten den Arbeiten in der Halle Vorrang eingeräumt, sagt Marita Meskes-Außem, Leiterin des Amts für Bau und Gebäudewirtschaft.

„Wir haben dezernatsübergreifend an einem Strang gezogen“

„Das, was wir in den vergangenen zwölf Monaten gemacht haben, war vor allem Feuerwehr. Ich habe das Gefühl, dass wir jetzt in der Phase angekommen sind, wo wir im Sozialamt richtig aufgestellt sind“, betont Bürgermeister Wolfgang Henseler, dass unter anderem weitere Sachbearbeiter und Sozialarbeiter eingestellt wurden.

Hatte die Bezirksregierung der Stadt im Jahr 2014 noch 137 Flüchtlinge zugewiesen, waren es 2015 mit 436 Menschen mehr als drei Mal so viele. 2016 kamen bisher 230, bis Ende September rechnet die Stadt mit keinen weiteren Zuweisungen. Nach Hochrechnungen geht der Bürgermeister davon aus, dass die Bezirksregierung Bornheim noch 50 Flüchtlinge bis zum Jahresende zuteilen wird – und 2017 etwa 20 pro Monat.

Rund 800 Flüchtlinge sind derzeit in Bornheim untergebracht. Zwischenzeitlich seien der Stadt in der Hauptphase des Andrangs auch Personen zugewiesen worden, die noch nicht registriert waren, verweist Henseler auf ein großes Manko. Inzwischen seien aber nahezu alle Flüchtlinge in der Stadt erkennungsdienstlich mit Foto und Fingerabdruck registriert, sagt Mandt. Sie wohnen an 44 Standorten. Neben Wohnungen, die die Stadt angemietet oder gekauft hat, gibt es zehn Containerunterkünfte. Noch nicht fertig sind davon die Bleiben an der Allerstraße in Hersel, an der Alten Schule Hemmerich und der Keldenicher Straße in Sechtem.

„Es war so eine Art Wettbewerb“, erzählt Meskes-Außem, wie schwierig es zeitweise gewesen sei, an die Pavillons zu kommen, zumal andere Kommunen ebenfalls händeringend auf der Suche nach den mobilen Unterkünften waren. „Wie an der Börse“, meint Henseler, seien die Preise in die Höhe geschossen. Zuletzt sei es wieder ruhiger und planvoller zugegangen, so Meskes-Außem. „Jetzt möchten wir versuchen, für die Zukunft dauerhafte Möglichkeiten zu schaffen“, bezieht sie sich auf die Pläne für Wohnhäuser in Festbauweise, zum Beispiel am Sechtemer Weg. Ein Kritikpunkt ist nach wie vor die Deckung der Kosten durch die Landesregierung. 2015 habe die Stadt rund 1,7 Millionen Euro draufgezahlt, sagt Henseler.

Und dann ist da natürlich noch das Thema Integration. Der Bürgermeister sieht „noch eine ganze Menge an Herausforderungen“ rund um Sprachförderung und Integrationskurse, Arbeit, Kita- und Schulbesuch ebenso wie auf menschlicher Ebene. Ein riesiges Aufgabenfeld, das auch auf die neue Sozialdezernentin Alice von Bülow zukommt, die am 15. August ihren Dienst begonnen hat. Sie wolle anknüpfen „an die unglaubliche Leistung, die die Kommune gestemmt hat“ und jetzt die „vermeintliche Ruhe nutzen, um zu ordnen“, kündigt sie an.

Und die Turnhalle? Bis Februar diente sie als Notunterkunft, danach nutzte die Stadt sie als kommunale Einrichtung für Flüchtlinge. Nach Sanierungsarbeiten in den Ferien soll sie Schule und Vereinen größtenteils wieder zur Verfügung stehen. Ein erneuter Verzicht für vier bis sechs Wochen wird wie berichtet aber für die Renovierung des Bodens erforderlich sein.

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