DFB-Nationalmannschaft Hansi Flick setzt auf Rückkehrer Marco Reus

Bonn · Die deutsche Nationalmannschaft steht vor einem Neubeginn unter Bundestrainer Hansi Flick. Er vertraut in den anstehenden Partien der WM-Qualifikation auf Rückkehrer Marco Reus, auf den er große Stücke hält.

 Nach fast zwei Jahren Unterbrechung kehrt Marco Reus zurück in den Kreis der Nationalmannschaft.

Nach fast zwei Jahren Unterbrechung kehrt Marco Reus zurück in den Kreis der Nationalmannschaft.

Foto: dpa/Tom Weller

Hin und wieder stellt sich der gemeine Fan ja schon die Frage, wie es wäre, riefe der Bundestrainer ihn selbst zu einem Gespräch. Ja, da wäre was los. Echt jetzt, eine Nominierung? Einige der besten Fußballer das Landes wissen natürlich längst, wie es ist, mit Hansi Flick zu sprechen. Die älteren unter ihnen kennen ihn schon lange, seit seiner Zeit als Co-Trainer der Nationalmannschaft, einige von ihnen als Bayern-Coach. Und auch jetzt als Bundestrainer hat der gebürtige Heidelberger, das war gerade sehr deutlich zu beobachten im Training in Stuttgart, vermehrt Verabredungen zwecks Gedankenaustauschs getroffen.

Vermutlich hat er da schon seine Vorstellungen und Ideen eingebracht, von denen er seine Spieler zu überzeugen hat. Intensive Gespräche hatte Flick, dessen erste Trainerstation der damalige Oberligist FC Victoria Bammental war, bereits vor der ersten Zusammenkunft des DFB-Teams unter seiner Regie geführt. Etwa mit Ilkay Gündogan, den er überzeugen konnte, weiterhin für die höchste Auswahl des Landes zu spielen. Der hatte sich Gedanken über eine Rücktritt nach der unerfreulichen EM gemacht. Aber auch mit Marco Reus, der eigentlich, wenn man ehrlich ist, etwas aus dem Fokus geraten war bei der geplanten Neuausrichtung der Mannschaft.

Reus kehrt nach zwei Jahren Unterbrechung zurück

Flick sprach also mit Gündogan (“Es war ein sehr schönes Gespräch, ich habe seine Wertschätzung gespürt“). Flick sprach mit Reus (“Es war ein sehr konstruktives Gespräch“), Reus auch mit ihm. Und am Ende stand die Erkenntnis, eine weitere Zusammenarbeit sei das Beste – für den Spieler und den Trainer. Auch der Dortmunder selbst zeigte sich am Dienstag erfreut darüber, „dass Hansi schnell das Gespräch gesucht hat“. Der Verletzungserprobte sollte weitermachen, wollte weitermachen, und es sei „keine schwierige Entscheidung“ gewesen, wie es Reus ausdrückte.

Es war ein sehr bewusster Urteilsspruch des ewigen Patienten über jenen Spieler Reus, der erst an zwei großen Turnieren teilnehmen konnte. Er ist zwar schon 32 Jahre, hat in seiner Karriere allerdings weniger Länderspiele bestritten, als es für einen Profi seiner Qualität eigentlich angemessen wäre: 44 waren es, andere wären stolz auf diese Anzahl. Reus jedoch mit seiner Geschichte aus mindestens Tausendundeiner Verletzung und vor dem Hintergrund, dass er bereits mit 22 sein Debüt unter Joachim Löw gab, dürfte sie betrüben. Verletzungen pflastern seinen Weg. So war es auch 2014. Der wohl bitterste Moment: Am Tag vor dem Abflug nach Brasilien verletzte er sich beim 6:1 gegen Armenien in Mainz sehr schwer am Fuß. Reus wurde nicht Weltmeister. Am Sonntag misst sich die DFB-Elf übrigens im ersten Heimspiel unter Flick in Stuttgart wieder mit Armenien. Zuvor jedoch will Reus an diesem Donnerstag (20.45 Uhr/RTL) gegen Liechtenstein sein Länderspiel-Comeback geben. Und gegen wen war sein bislang letztes? Er stutzt kurz auf der Pressekonferenz am Dienstag, muss überlegen. Es war am 13. Oktober 2019 beim 3:0 in Tallinn gegen Estland. Dieser Termin liegt also fast zwei Jahre zurück. Nun sei er beim „sogenannten Neustart“ dabei, und erhofft, „dass wir eine erfolgreiche Zukunft haben“.

Sein Ziel ist klar umrissen: WM 2022 in Katar. Nicht nur für die Nationalmannschaft soll nach zuletzt zwei missratenen Turnieren unter Löw eine Katharsis einsetzen. Auch der BVB-Angreifer will seine Chance endlich nutzen, nachdem er mit dem DFB-Team bei der EM 2012 im Halbfinale an Italien scheiterte. Bei der WM vor drei Jahren erlebte er mit Deutschland dann das Debakel in Russland bei seiner ersten Weltmeisterschaft.

Gündogan, eine Art Leidensgenosse, kann Reus’ Motivation exakt nachempfinden. Er habe ja ein ähnliches Schicksal wie der Dortmunder gehabt, sagt der Mittelfeldspieler von Manchester City. Gerade im Training haben die beiden noch darüber geflachst, berichtete Gündogan. „Ich habe nur drei, vier, fünf Länderspiele mehr“, sagte der 30-Jährige, der es auf tatsächlich 49 Einsätze im A-Team bringt, für beide sei das „deutlich zu wenig“.

Baumgart kann Reus’ EM-Verzicht nicht verstehen

Nach Flachsen stand Reus lange nicht der Sinn. Nach einer weiteren Leidenssaison, aber trotzt einer am Ende beachtlichen Form, verzichtete er auf die EM. Freiwillig? Vielleicht hatte er sich, der seinem empfindlichen und geschlauchten Körper im Sommer genug Zeit zur Erholung geben wollte, mehr Zuspruch von Löw erwünscht; „zusammen mit dem Bundestrainer“ hatte er jedenfalls die Entscheidung für einen Verzicht auf das Kontinentalturnier getroffen. Eine Entscheidung, die nicht jeder im Land nachvollziehen konnte. Er finde sie „sehr speziell“, sagte Steffen Baumgart damals dem „Westfalen-Blatt“. Er könne dies nicht verstehen. „Der Junge ist in überragender Form, diese EM ist für ihn mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit die letzte Chance, einen großen Titel zu gewinnen – und er macht lieber Urlaub“, sagte der heutige Trainer des 1. FC Köln. Und: „Mich hätte man zu meiner aktiven Zeit im Rollstuhl zum Turnier fahren können, so heiß wäre ich gewesen. Aber leider reichte die Qualität nicht.“

 Die Qualität stand bei Reus nie in Frage, und nun unternimmt er einen erneuten – sicher letzten – Versuch, bei einer WM erfolgreich zu sein. Flick hat nun offenbar um seine Rückkehr stärker gekämpft und ihn überzeugt, es noch einmal zu versuchen. Er vertraut den Fähigkeiten des Dortmunders. Er habe einfach „eine enorme Qualität, gerade im letzten Drittel. Marco ist einer, der den letzten Pass spielen kann, der immer in die Tiefe geht, der im Direktspiel auch eine tiefstehende Abwehr knacken kann“, sagt der 56-Jährige. Im Gespräch mit Reus habe er dessen „Lust“ gespürt, nochmal dabei zu sein: „Das war für mich auch ausschlaggebend.“

Flicks Lobeshymnen für Reus

Auf der anderen Seite ist Reus zurückgekommen, um „eine wichtige Rolle“ einzunehmen. „Ich fühle mich frisch und fit.“ Und, natürlich, er will den Kampf um die Stammplätze aufnehmen, wohlwissend um die hohe Qualität gerade in der deutschen Offensive. „Wenn ich eingeladen werde, bin ich der Typ, der auch spielen möchte“, sagte er: „Hansi ist dafür bekannt, die Spieler einzusetzen, bei denen er die beste Qualität sieht.“ Was Hansi von ihm erwartet, das wird er ihm schon mitteilen. In einem persönlichen Gespräch.

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