DFB-Angreifer erhält Unterstützung Bundestrainer Hansi Flick stärkt DFB-Stürmer Timo Werner den Rücken

Hamburg · Hansi Flick ist mit der Nationalmannschaft auf dem besten Weg zur WM in Katar. Doch im Sturmzentrum scheint es an Qualität zu mangeln. Timo Werner trifft zwar, ist aber kein klassischer Mittelstürmer.

 Bundestrainer Hansi Flick fördert ihn: Timo Werner.

Bundestrainer Hansi Flick fördert ihn: Timo Werner.

Foto: dpa/Axel Heimken

Manuel Neuer würde nicht spielen, das stand kurz vor dem Anpfiff fest. Seine Adduktoren waren ein wenig beleidigt, und so war es für ihn unmöglich, in der Partie gegen Rumänien zwischen den Pfosten zu stehen. Ob das eine gute Nachricht für Marc-André ter Stegen war, wurde im ersten Moment nicht so recht klar. Der hochveranlagte Torhüter aus Barcelona hat ja bislang eher ernüchternde Erfahrungen in der Nationalmannschaft gesammelt. Oftmals verhielt es sich doch so, dass ter Stegen einen Ball aus dem Netz holen musste, ohne vorher (und manchmal auch nachher) einen gehalten zu haben. Sein Einfluss auf das Spiel der deutschen Auswahl war oft zu vernachlässigen. Manchmal aber war sein Einfluss auch derart, dass er am liebsten keinen ausgeübt hätte. Zu seinen wenig erbaulichen Anfängen im Elitekreis gehört auch die USA-Reise 2013, bei der er beim 3:4 gegen den Gastgeber den Eindruck erweckte, seinen Jetlag immer noch in den Torwart-Klamotten zu tragen.

Ter Stegen und die Nationalelf – das gestaltet sich oft als unselige Beziehung, die auch nach 26 Länderspielen (28 Gegentreffer) des früheren Gladbachers eine nüchterne Zweckgemeinschaft bleibt. Auch gegen Rumänien musste er hinter sich greifen (9. Minute), ohne davor – und kaum danach – einen Ball mit den Händen berührt zu haben. Doch in solchen Spielen wie beim mühsamen 2:1 gegen tapfere Rumänen, und sei es im Zug einer WM-Qualifikation, ist es eher nebensächlich, ob er, Neuer, Bernd Leno, Kevin Trapp oder doch der Greenkeeper das Tor zu hüten hat. Es sind andere Fragen elementar, die sich die Mannschaft und allen voran ihr Trainer Hansi Flick zu stellen hat. Etwa die: Wie schaffe ich es, gegen einen tief und tiefer stehenden Gegner Chancen zu kreieren und folglich Tore zu erzielen?

Werner bekommt in England 16 Tore durch den VAR aberkannt

Um solche Fragen sachgerecht zu beantworten, kommt man um eine Betrachtung der Offensivabteilung natürlich nicht herum. Dass da der vorderste Stürmer besondere Aufmerksamkeit genießt, steht außer Frage. Erst am Mittwoch vor der Partie hatte sich Timo Werner in der „Süddeutschen Zeitung“ geäußert. Er tat das wie immer ohne übertriebene Zurückhaltung, und er bezog sich dabei auf die Tücken, die einen Fußball-Profi, zumal einen Stürmer, auch in England ereilen können. Nicht weniger als 16 Treffer sind dem seit Sommer vergangenen Jahres beim FC Chelsea arbeitenden Ex-Leipziger aberkannt worden. Alle als Folge des unbarmherzigen nationalen Videogerichts. Zwar liegt keine vergleichbare Statistik vor, doch diese enorme Zahl könnte ihn schon in den Stand eines inselweiten Rekordhalters erhoben haben.

Für Werner Anlass genug zu klagen über diese Instanz, die ihm „schon sehr viel Leid“ bereitet hat. „Für uns Angreifer ist es immer ein Schrecken, wenn der VAR angezeigt wird.“ Auch im Fall des Rumänien-Spiels blieb er von dem Urteil, das die Bildschirm-Justiz zu sprechen hat, nicht verschont. Für ihn war es mal wieder ein Unheil, denn es wurde ihm zwar kein Treffer aberkannt aber immerhin ein Elfmeter. Zu dem stand Joshua Kimmich schon bereit (6.), und hätte er ihn verwandelt, ter Stegen hätte möglicherweise Sekunden später keinen weiteren Gegentreffer in seiner DFB-Karriere kassiert. So aber nutzte Schiedsrichter Cüneyt Cakir nach Intervention des VAR die TV-Bilder, um sein Urteil zu revidieren: kein Foul.

Werners Gurkentor gegen Island stimmt Flick froh

Es passte zum Gesamtbild, das der 25-Jährige an diesem Oktoberabend in Hamburg abgab. Es war ein sehr unglücklicher Vortrag des unergründlichen Angreifers, der das zweifelhafte Talent zu besitzen scheint, aus besten Positionen den Ball am Tor vorbeizuschießen oder geradewegs in die Arme des Torhüters. Schon im September-Dreiklang der Nationalmannschaft tat sich Werner dadurch hervor, dass er eine Vielzahl an erstklassigen Chancen ungenutzt ließ. Erst der späte Treffer zum Abschluss gegen Island verschaffte allen Beteiligten, darunter Bundestrainer Flick, Erleichterung. Selbst wenn Werners Stolpertor doch eher der Kategorie „Kacktor des Monats“ zuzuordnen ist, das Arndt Zeigler im WDR-Fernsehen spöttisch zu präsentieren pflegt. Dennoch streichelte der Empathie-Experte Flick das Gemüt Werners, indem er diesen Treffer als „sehr wichtig“ und sogar „elementar“ bezeichnete. Es kann ja nie schaden, einem zwiefelnden Angreifer etwas Selbstvertrauen für künftige Aufgaben mit auf den Weg zu geben.

Werner zeichnet aus, dass er auch nach dem einhundertsten Fehlversuch mit Vehemenz das Tor anrennt, es stoisch weiter versucht, selbst wenn er dabei mitunter den Überblick zu verlieren scheint. Seine Laufwege können nicht nur für den Betrachter rätselhaft sein, sondern selbst für seine Mitspieler. Dieses Manko hat auch Hansi Flick gleich nach dem Spiel gegen Rumänien angesprochen und den „letzten Pass im letzten Drittel“ bemängelt, dort habe „die Präzision gefehlt“. Dann hielt er eine kleine Unterstützerrede im öffentlichen Diskurs um die richtige Besetzung im Sturmzentrum. Werner, ja, der könne auch Räume öffnen. Und: „Er kann auch mal einen Abpraller reinmachen.“ Wie ein richtiger Mittelstürmer. Manchmal aber fehle noch die „richtige Positionierung. Er hat zu nah am Tor agiert, statt reinzustarten“.

Doch Flick kehrte rasch in den Streichelmodus zurück. Er lobte Werners „25 bis 30 Torbeteiligungen“ für Chelsea in der vergangenen Saison. Und, selbstverständlich: „Er kann auch Tore schießen, in einer Top-Top-Mannschaft.“ Tatsächlich hat er das in der Nationalmannschaft schon gezeigt, traf bei 46 Einsätzen 19 Mal.

Werner mit weniger Einsatzzeiten in Chelsea wegen Lukaku

Das Problem ist nur, dass in dieser Top-Top-Mannschaft Chelsea seit dem Sommer der belgische Sturmtank Romelu Lukaku (Werner: „ein Weltklassestürmer“) sehr aktiv ist. Werner spielt daher nicht mehr so viel. „Es ist nicht so angenehm“, hatte Werner in Hamburg gesagt, „so viel auf der Bank zu sitzen.“ Als „schwierig“ schätzt er die Situation ein. „Da muss man sich reinhängen.“

Das wird auch Flick von ihm erwarten, der nun eines seiner vielen Projekte gestartet hat, um den Weg des DFB-Teams zurück in die Weltspitze zu moderieren: das Projekt Werner. „Er kriegt bei uns die Einsätze, die er braucht“, sagte Flick: „Rückendeckung.“ Ein Stürmer, der Selbstvertrauen benötigt, hört das gerne.

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