Fußgängerzone in Bonn Verwaltung will Lieferung an Apotheken nachmittags unterbinden

BONN · Wenn es um die Gesundheit der Menschen geht, muss es manchmal sehr schnell gehen. Apotheken können innerhalb von zwei Stunden dringend benötigte Arzneimittel für ihre Patienten bestellen. Diese Expresslieferungen ab mittags könnten aber bald ausbleiben.

Denn was bisher stillschweigend toleriert wurde, steht jetzt zur Disposition: die Belieferung der Apotheken in der City am Nachmittag, wenn die offizielle Ladezeit bis 12 Uhr vorbei ist.

Die Transportfirma, die diese "eiligen" Medikamente bringt, hat bei der Stadt das Ausstellen einer Ausnahmegenehmigung zum Befahren der Fußgängerzone beantragt, was die Verwaltung allerdings verweigert hat. Argument des Bonner Straßenverkehrsamts: "Apotheken müssen nicht zwangsläufig nachmittags beliefert werden; der Transport kann bis zum nächsten Morgen warten. Der Kunde kann seine Ware dann am Folgetag abholen."

Dem widersprechen die Apotheken vehement. "Die Versorgung mit Medikamenten ist von eminenter Bedeutung und teilweise lebenswichtig", heißt es in einem Protestbrief an die Stadt, den alle neun Apotheken aus der Innenstadt unterzeichnet haben. "Die Bürger erwarten mehr denn je, dass wir als Dienstleister vor Ort jedes gewünschte und erforderliche Präparat kurzfristig beschaffen können."

Da steht die Stadt auf einem anderen Standpunkt, auch was die Dringlichkeit anbelangt: "Wenn ein Kunde seine Medikamente unabdingbar am selben Tag benötigt, muss er diese in einer Apotheke außerhalb der Fußgängerzone bestellen", lautet der gute Rat des Straßenverkehrsamtes. "Das ist bei der Anzahl der Apotheken, die außerhalb der Fußgängerzone zur Verfügung stehen, grundsätzlich kein Problem."

Diese Aussage bringt nicht nur den Einzelhandelsverband und den Verein City-Marketing der Geschäftsleute auf die Palme (siehe Bericht unten), sondern auch die Apotheken. "Das ist ein existenzgefährdendes Argument, wodurch ich mich auch diskriminiert fühle", sagt etwa Andrea Forst-Raasch von der Hofgarten-Apotheke dem General-Anzeiger.

Schließlich würden sich viele Arztpraxen in der Innenstadt konzentrieren, entsprechend viele Apotheken gibt es dort. Wie notwendig die kurzfristigen Lieferungen sind, erklärt Apothekerin Forst-Raasch auch: "Es gibt in Deutschland 97.000 verschiedene Arzneimittel. Die alle in der Apotheke vorzuhalten, ist unmöglich." Manche Patienten würden ihre Medikamente innerhalb von Stunden für die Akutversorgung benötigen.

Das Transportunternehmen, das die Arzneimittel bringt und dafür zwei Fahrzeuge im Einsatz hat, sieht in der Belieferung keine ins Gewicht fallende Beeinträchtigung des Fußgängerverkehrs, da es sich um Fahrzeuge im Kleinwagenformat handele. Nach dem ablehnenden Bescheid der Stadt hat Inhaber Markus Busch nach eigenen Angaben Klage vor dem Verwaltungsgericht erhoben.

"Die Antwort der Stadt ist für mich unverständlich", begründet er. "Und ich will nun vor Gericht klären lassen, ob die Stadt so einfach entscheiden kann, ob Medikamente wichtig sind oder nicht." In anderen Städten, in die er Medikamente ausliefere, sei die Sache kein Problem. "Die einzige Stadt, die sich querstellt, ist Bonn", sagt Bausch dem GA.

Auch der Umstand, dass Geldtransporter die Fußgängerzone nach 12 Uhr befahren dürfen, sorgt für das Gefühl einer Ungleichbehandlung. Bei den Geldtransporter stellt sich das laut Straßenverkehrsamt aber so dar: Das Geld müsse ohne diese Abholung über Nacht in den Läden aufbewahrt werden, Dadurch steige das Risiko eines Einbruchs. Diese Darstellung verweisen Geschäftsleute ins Reich der Fabel: "Die Geldtransporter holen das Geld vom Vortag ab, nicht das Geld des laufenden Tages."

Dass die Stadt die Regulierungswut für sich entdeckt, liegt auch an den Bürgern. Bisher, so der Lieferant, sei das kurzfristige Anhalten von der Stadt toleriert worden. "Aber durch Beschwerden von Fußgängern sind die unheimlich scharf geworden." Tiefgaragen sind keine Alternativen: Erstens seien nicht alle von den Autos befahrbar oder zu weit entfernt, um Ware dann per Sackkarre auszuliefern. Ganz zu schweigen vom hohen Wert der Arzneien.

Es meinten. . .

Uwe Stephan, Einzelhandelsverband: "Diese Entscheidung ist ein starkes Stück. Sie geht völlig an der Lebenswirklichkeit vorbei. Die Bürger müssen Medikamente bekommen können, wenn sie in der Stadt sind oder hier arbeiten. Sie auf Apotheken außerhalb zu verweisen, macht mich sprachlos. Dafür habe ich kein Verständnis."

Oliver Hoffmann, City-Marketing: "Es ist ein absolutes Unding, mit so einer Argumentation die Kunden aus der Bonner Innenstadt zu verweisen. Und der Hinweis auf die Geldtransporter ist auch fachlich falsch. Denn in den Geschäften wird immer das Geld vom Vortag abgeholt. Bei der Stadt sitzen Leute im Turm und urteilen über Lebenssituationen, die in der Praxis ganz andere sind. Die sollten sich lieber mal um die vielen rasenden Radfahrer in den engen Straßen der Fußgängerzone kümmern."

Stadt schleppt nach 12 Uhr konsequent ab

"Es kann nicht mehr hingenommen werden, dass die Fußgängerzone außerhalb der Lieferverkehrszeiten von Fahrzeugen zugemüllt wird." Diese Meinung vertreten Bezirksbürgermeister Helmut Kollig und seine SPD-Fraktion. Sie haben für die Sitzung der Bezirksvertretung Bonn am 16. September beantragt: Die Stadtverwaltung solle die Einhaltung der Lieferzeiten sehr streng kontrollieren und die bestehenden Ausnahmeregelungen nicht ausweiten.

Um dem Lieferverkehr entgegenzukommen, könnte man die Lieferzeit aber bis 13 oder 14 Uhr ausdehnen. Die Stadtverwaltung schreibt in ihrer Stellungnahme, sie habe nahezu täglich zwei Mitarbeiter im Einsatz, um die Fußgängerzone zwischen 10 bis 18 Uhr zu kontrollieren. Nach 12 Uhr würden verbotswidrig abgestellte Fahrzeuge konsequent abgeschleppt. Die intensiven Kontrollen würden fortgesetzt, heißt es seitens der Stadt.

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