Kommentar Die EU und Griechenland - Der Druck wirkt

Katastrophenmeldungen aus Griechenland haben Konjunktur. Aber wie wäre es mal mit diesen Nachrichten: Das Haushaltssaldo Athens wurde in den letzten zwei Jahren um sechs Prozentpunkte verbessert. Eine solche Konsolidierungsleistung hat bisher kein anderes Euro-Land geschafft.

Die hellenische Nationalbank meldete für September einen Überschuss (ohne Schuldendienst) von 775 Millionen Euro. Eine vergleichbare Entwicklung leitete in Irland die Trendwende zum Positiven ein. Im ersten Halbjahr 2012 liegt Athen mit seinem Defizitabbau sogar über dem Plan. Die Lohnstückkosten gehen seit 2009 zurück. Vor wenigen Tagen meldeten drei große globale Konzerne, sie wollten mit millionenschweren Investitionen in Griechenland tätig werden.

Nun machen einzelne Schwalben noch keinen Sommer, aber kleine Schritte führen eben auch zum Ziel. Man kann Griechenlands fast schon unmenschliche Wirtschaftslage nicht beschönigen. Dennoch gibt es erste Aufhellungen, die zum Gesamtbild dazugehören. Als Kronzeugen dieser positiven Signale eignet sich niemand besser als die Troika. Denn allen schlimmen Diagnosen zum Trotz enthält ihr jüngster Bericht auch solche Aussagen: "Das Land hat eindeutige Fortschritte gemacht. Es gibt behutsam positive Indikatoren."

Natürlich wäre es falsch, sich angesichts solcher Hoffnungsschimmer zurückzulehnen und nunmehr den Lauf der Dinge abzuwarten. Denn Griechenland braucht nicht nur erste, behutsame Besserungen bei den Finanzdaten. Zu den entscheidenden Weichenstellungen für ein neues Hellas gehört das Gefühl der Menschen, dass ihre Opfer nicht vergeblich sind.

Wachstum heißt das Schlüsselwort - und genau das haben die Helfer in den letzten Monaten vernachlässigt. Zwar wurde beim Juni-Gipfel der EU-Staats- und Regierungschefs vollmundig ein Wachstumspakt begründet und als Kehrseite des Fiskalpaktes hoch gelobt. Doch noch im Oktober musste der erlauchte Gipfelkreis die gleichen Zusagen noch einmal wiederholen, weil sich praktisch nichts bewegt hatte.

Das liegt nicht nur an den europäischen Partnern oder den Investoren. Athens Spitze war es lange nicht gelungen, die notwendigen politischen und Verwaltungsreformen umzusetzen, um Geldgeber auch zu motivieren, im Land Unternehmen aufzubauen und Privatinitiative zu stärken. Der massive Druck, den die Europäische Zentralbank, der Internationale Währungsfonds und die EU-Kommission über die Troika ausgeübt haben, wirkt jetzt. Denn erst vor wenigen Tagen machte Athens Regierung deutlich, dass man Verweigerern von Reformen in Staat und Unternehmen den Kampf angesagt hat. Um wie viel länger wäre die Liste der positiven Anzeichen, wenn man damit schon früher begonnen hätte?

Eine entschlossene griechische Regierung hätte alle Chancen, in die Geschichte einzugehen. Denn es ist eine Binsenweisheit, dass Investoren das Obama-Motto "Verpasse nie eine gute Krise" schätzen. Athen ist nicht verloren, aber es muss jetzt viel dafür tun, damit aus ersten Signalen ein Trend wird. Das geht nicht mit Protesten, Widerstand gegen den Umbau des Staates oder Hetze gegen die, die ein neues Griechenland wollen.

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