Kommentar Die Parteien vor dem Wahljahr 2013 - Bis zur Ziellinie

Es ist angerichtet. 2013 wird ein Jahr des Dauerwahlkampfs. Man muss es nicht gleich zum "Superwahljahr" stilisieren, auch wenn über allem die Frage steht: Schafft Bundeskanzlerin Angela Merkel eine dritte Amtszeit oder wird Peer Steinbrück der vierte Bundeskanzler der SPD?

Bereits in drei Wochen könnte Niedersachsen dazu ein wichtiges Vorzeichen liefern, wenn es über den künftigen Ministerpräsidenten entscheidet: David McAllister gegen Stephan Weil. Kippt McAllister und siegt SPD-Herausforderer Weil, hätte Rot-Grün erstmals seit Jahren nicht nur eine Verhinderungsmehrheit im Bundesrat, sondern mit dann 36 von 69 Stimmen in der Länderkammer sogar eine absolute Gestaltungsmehrheit für eigene Initiativen.

Dies würde Merkels Ausgangsposition mit Wirkung schwächen, auch wenn sie als Amtsinhaberin den üblichen Bonus hat, auf internationalem Parkett glänzen und sich als Retterin des Euro in Szene setzen kann. Doch Steinbrück muss angreifen. Eine Frau, die er kennt, die er schätzt (und sie ihn) und mit der er als Bundesfinanzminister mindestens ordentlich zusammen gearbeitet hat. Schafft die SPD den Sieg in Hannover nicht, wäre auch Steinbrück angezählt.

Der Ball liegt für ihn zwar nicht auf dem Elfmeterpunkt, aber doch in sehr aussichtsreicher Position. Der Angreifer muss verwandeln und die Dynamik mit auf die Strecke bis in den September mitnehmen, wenn auch Bayern wählt, wo ein ewig unberechenbarer Horst Seehofer sich derzeit auffällig handzahm gibt, was den Umgang mit der CDU angeht. Denn Seehofer weiß: Die Stimmung für seine Wiederwahl hängt auch von der Stimmung für die Wiederwahl Merkels ab. Das diszipliniert. Und womöglich steht Ende 2013 noch die Wahl in Hessen an.

Merkel oder Steinbrück? Schwarz-, ja was, -Gelb oder Schwarz-Grün oder Schwarz-Rot (dann aber ohne Steinbrück)? Oder reicht es wider Erwarten für Rot-Grün und, falls nicht, nach einem erstaunlichen Wendemanöver womöglich für Rot-Gelb-Grün? Vieles ist möglich in 2013, wenig ausgemacht. Die Zahl der Wechselwähler wächst, das starre Lagerdenken ist Vergangenheit.

Merkel wird erst einmal ihre Arbeit machen. Nüchtern bis zur Ziellinie. Baustellen hat die Koalition genug: Energiewende, Steuern, Ehegattensplitting, Vorratsdatenspeicherung. Und sie wird den Grünen keinesfalls den Gefallen tun und diese mit Gedankenspielen über Schwarz-Grün stärker als nötig machen. Womöglich ist Schwarz-Grün im Bund auch nur ein mediales Hirngespinst.

Man stelle sich bloß den Parteitag der Grünen vor, der einem solchen Bündnis den Segen geben müsste. Er würde vier Tage und vier Nächte dauern - mit ungewissem Ausgang. Am Ende könnte Deutschland Sicherheit wählen, und nicht das Experiment. Sicherheit heißt große Koalition. Und das wiederum hieße Merkel.

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