Buchtipp: Falkners "Apollokalypse" Grandioser Berlin-Roman

Bonn · Gerhard Falkners Roman "Apollokalypse" schickt seine Helden nach Berlin, in die 80er, in die unmittelbare Wendezeit und danach. Ein wortmächtiges Buch und Geschenktipp der GA-Feuilleton-Redaktion.

 Gerhard Falkner2016 auf der 68. Frankfurter Buchmesse in Frankfurt/Main

Gerhard Falkner2016 auf der 68. Frankfurter Buchmesse in Frankfurt/Main

Foto: picture alliance / dpa

Das ist seit Langem mal wieder ein Roman, den man nur ungerne aus der Hand legt und es nach 427 wilden, abgedrehten, harten Seiten dann doch tut, tun muss, den Kopf voller verwirrender, erotisch aufgeladener, gewaltiger, jedenfalls äußerst intensiver Bilder. Und den Geist berauscht von einer seltenen Sprachkultur und einem lockeren Sprachwitz, der das Groteske in sprühenden Farben zu schildern vermag.

Der wortmächtige Roman „Apollokalypse“ (Berlin Verlag, 427 S., 22 Euro) verrät den Lyriker in Gerhard Falkner. Es gibt in der Tat Sätze, bei deren man innehält, um jedes Wort, jede Wendung auszukosten. Der Roman, der es auf die Longlist des Deutschen Buchpreises schaffte und diesen unbedingt auch verdient hätte, startet im zerbombten Nürnberg, wo der Ich-Erzähler Georg Autenrieth – Franke und Jahrgangsgenosse wie Falkner selbst – 1951 auf die Welt kommt.

Falkner folgt seinem Helden und dessen Jugendfreunden, dem gut situierten Dirk Pruy und dem Borderliner und Künstler Heinrich Büttner auf der Suche nach dem „großen aufblasbaren Nichts“ im Dreieck Nürnberg, München, Berlin. Wunderbar schildert er die Topografien, besonders detailliert die von Berlin. Geschliffen und präzise werden die unterschiedlichen Milieus beschrieben.

Gerade Berlin wird in den 80ern, in der unmittelbaren Wendezeit und danach zur testosterongesättigten Spielwiese für die Akteure, deren Macho-Allüren Falkner dann und wann auch entlarvt. Grenzenloser Hedonismus trifft auf linke Polit-Attitüde, RAF-Geraune inklusive. „Ihre Gesichter wirkten knochig, faustisch, ungesund, die Haare waren fettig, viele sahen aus wie Sturmvögel nach der Ölpest“, beschreibt Falkner das Personal von Prenzlauer Berg brillant und genau, „sie besaßen markante Handknöchel, hohe Beine und oft eine kräftige Stirn, alle rauchten wie die Polen“.

Hauptsächlich versucht dieser gleichermaßen herbe wie verträumte Roman aber, herrliche Bilder für tiefte Emotionen zu finden: „Ihr anbetungswürdiger Körper machte mit mir und ich mit ihm weiter nichts, als sich die Schauder wie Bälle zuzuwerfen, höher und immer höher, bis sie schließlich ein paarmal übers Netz gingen.“

Bis zum 24. Dezember: Jeden Tag ein Geschenktipp aus der Feuilleton-Redaktion.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort