"Dantons Tod" als Tanztheater und Gruppenexperiment

Laurent Chétouane inszeniert das Stück im Kölner Schauspielhaus

  Huckepack auf die Barrikaden:  Devid Striesow, Renato Schuch und Robert Gwisdek.

Huckepack auf die Barrikaden: Devid Striesow, Renato Schuch und Robert Gwisdek.

Foto: Oliver Fantitsch

Köln.In welcher langen Unterhose mag der Oberrevolutionär stecken? Feinripp bleu, Feinripp marine oder vielleicht doch eher im eleganten Funktionsbeinkleid in altweiß? Schwer auszumachen bei den vier Herren im Schlabberlook mit Kniestrümpfen, zu denen sich noch vier Frauen im Trainingszeug gesellen.

Der Dresscode (Kostüme: Sanna Dembowski) ist ziemlich leger im Revolutionszirkel und so ist auch der Habitus. Man streckt und dehnt sich, absolviert kleine Sprünge und Drehungen, die Arme weisen in verschiedene Richtungen. Paare finden sich und halten Händchen. Georg Büchners Drama "Dantons Tod" als Trainingsstunde? Tanztheater? Party?

Regisseur Laurent Chétouane definiert die Revolutionäre als eine Gruppe junger Leute, die mit einer ganz unpathetischen Legerezza an die Sache gehen. Das Programmheft zitiert Fragen des Philosophen Roland Barthes, wie man zusammen leben und zugleich jedem Einzelnen seinen Rhythmus zugestehen könne.

Informationen Weitere Termine: 19., 24., 28. Januar
Karten unter Tel.: (02 21) 22 12 84 00In der Formation zur Gruppe läge dann ein utopisches Moment. Die Revolution könnte aber auch schlicht ein Spiel sein, so wenn die Spieler Klamotten wie Gehrock, Spitzenjabot und Dreispitz probeweise überziehen.

Die Identitäten bleiben fließend, Rollen lassen sich allenfalls nach textlicher Klumpenbildung zuweisen. Robespierre ist weitgehend dem Strich zum Opfer gefallen, bis auf Fragmente aus dem Monolog ("Sind wir nicht Nachtwandler") und der Rede im Konvent, die Maik Solbach mit Lorbeerkranz in der Hand spricht.

Die Auseinandersetzung mit Danton findet nicht statt. Der wird bei Devid Striesows zum Revolutionär ohne Emphase, den weder sein Bewusstsein des immergleichen menschlichen Schlachtens lähmt, noch die Blutquelle der Guillotine auf Patrick Kochs weiß ausgeschlagener Bühne schwarz ausgehängtem Spielraum ekelt.

Das Spielerische der Inszenierung im Kölner Schauspielhaus erweist sich allerdings als Bumerang, denn ihr fehlt die emotionale Amplitude und Triftigkeit. Der wohltemperierte Ton macht den Abend je länger, desto zäher und trieb viele Zuschauer in die Flucht.

Ganz zu schweigen, dass ohne Kenntnis des Stücks vieles unverständlich bleibt. Manches erschöpft sich in simplen Bildmetaphern wie die Kritik des Kunstidealismus durch Desmoulins (Robert Gwisdek), der von zwei Frauen in den "Realismus" des Zuschauerraums gestoßen wird.

Anderes allerdings ist scharf gesehen. So Dantons stotternder Sprachverlust im Gefängnis oder die Verlagerung des Geschehens zur Guillotine durch die vier Frauen (Lisa Densem, Isabelle Giebeler, Sigal Zouk, Anna Macrae).

Ein unwiderstehlicher Sog des Todes, mit Probeläufen auf den Schafottstufen. Julies Sätze sind schließlich nur noch als Zitat auf einer Soffitte zu lesen, bevor das herabsausende Beil dem Spiel nach gut zwei Stunden ein Ende macht. Heftige Buhs fürs Regieteam.

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