Wechselnde Mehrheiten Große Koalition, große Nervosität

BERLIN · Große Koalition? Da reagiert die FDP gereizt. "Schäbig", empört sich FDP-Generalsekretär Patrick Döring, ja, "schäbig", seien die "taktischen Spielchen", für die Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) das Rententhema missbrauche.

 Bei der Rentendebatte noch nicht im Gleichtakt: Bundeskanzlerin Angela Merkel, Arbeitsministerin Ursula von der Leyen.

Bei der Rentendebatte noch nicht im Gleichtakt: Bundeskanzlerin Angela Merkel, Arbeitsministerin Ursula von der Leyen.

Foto: ap

Und Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) sekundiert: "Die Lockerungsübungen von Frau von der Leyen sind die Vorbereitungen auf eine Kanzlerschaft in einer großen Koalition." Dabei hat von der Leyen für ihre Idee einer Zuschussrente kaum prominente Unterstützung im Unionslager.

Doch das - neben der Eurokrise - große Thema Altersarmut macht die FDP nervös, denn: Es könnte sehr zu ihrem Unwillen Stoff für neue Allianzen liefern. Döring jedenfalls warnt die Union davor, im Streit um die Rente mit womöglich wechselnden Mehrheiten die schwarz-gelbe Koalition in Gefahr zu bringen. Dies würde die Geschäftsgrundlage der Koalition verletzen.

Im Konrad-Adenauer-Haus beeilt sich CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe denn auch, Gemeinsamkeiten der Koalition zu betonen, jedenfalls die vertraglich vereinbarten. Schließlich sei im Koalitionsvertrag ja festgeschrieben, dass CDU, CSU und FDP das Risiko von Altersarmut wirksam bekämpfen wollten. Wörtlich heißt es dort: "Wir verschließen die Augen nicht davor, dass durch veränderte wirtschaftliche und demografische Strukturen in Zukunft die Gefahr einer ansteigenden Altersarmut besteht."

Gröhe macht daran fest, dass es im Kampf gegen Altersarmut "nicht mehr um das Ob", sondern um die "konkrete Ausgestaltung" gehe. Es gebe in der Partei verschiedene Positionen, ob dies über die Rentenkassen oder eben mit Steuergeld bezahlt werden soll. Ob es schon bis Oktober "Antworten" geben werde, wie von der Leyen in der vergangenen Woche angekündigt hatte, lässt Gröhe offen: "Gründlichkeit vor Schnelligkeit." Einen Lösungsvorschlag wolle man "in absehbarer Zeit" präsentieren.

Zwei Kilometer Luftlinie entfernt glaubt SPD-Chef Sigmar Gabriel im Willy-Brandt-Haus nicht mehr an die Kraft der schwarz-gelben Koalition und sieht wegen deren Uneinigkeit aktuell keine Basis für einen großen Renten-Konsens. Von der Leyen sei eine Arbeitsministerin "ohne Prokura". Mehr noch: Der CDU-Vize sei durch die Kanzlerin "die Geschäftsfähigkeit entzogen worden.

"Die Koalition ist in sich zerstritten." Auch von der Leyens Berechnung einer Zuschussrente kann Gabriel nicht nachvollziehen: "Adam Riese war da nicht dabei." Er sehe in der laufenden Rentendebatte keine Möglichkeit zum Konsens mit der "derzeitigen Bundesregierung", es sei denn, "über Nacht" setze dort ein "Erkenntnisgewinn" ein. Ohne Mindestlohn werde es jedenfalls keine Solidarrente geben, denn der SPD gehe es darum, eine Hauptursache für Altersarmut zu beseitigen: die Erwerbsarmut.

Doch auch Gabriel muss im eigenen Lager mit seinen Rentenplänen überzeugen. Die SPD-Linke stört sich an dem Vorhaben, die gesetzliche Rentenquote von derzeit 51 Prozent des durchschnittlichen Nettolohns bis 2030 auf 43 Prozent abzusenken, und will das bisherige Rentenniveau beibehalten. Der SPD-Abgeordnete Klaus Barthel: "Die Debatte in der Partei geht jetzt erst richtig los." Der SPD-Vorstand will sein Rentenkonzept vermutlich am 24. September absegnen. Im November soll es dann ein kleiner Parteitag beschließen. "Prügel" der Parteilinken habe er für sein Konzept nicht bezogen, sagt Gabriel, aber doch, es gebe "Diskussionen".

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort