Auf Schröders Spuren Hollande plant "Agenda der Sanierung" und Steuererhöhungen

PARIS · Für einen kurzen Moment fühlte man sich an Nicolas Sarkozy erinnert, als sein Nachfolger François Hollande am Sonntagabend zur besten Sendezeit seine Steuerpläne vorstellte. So autoritär klangen seine Absichtserklärungen, so überzeugt sein Ehrgeiz, Frankreich wieder aufzurichten.

Er sei der Präsident, lege die Richtung fest und den Rhythmus der Reformen, erklärte Hollande. "Sie sagen mir: Man muss beschleunigen. Also beschleunige ich." Die Kommentatoren registrierten den Wechsel im Ton aufmerksam: Der "normale Präsident", als der er sich im Wahlkampf beworben habe, werde zum "Kriegschef", analysierten sie. Hollande "sarkozysiere" sich.

Seit seiner Wahl vor vier Monaten werfen Kritiker dem Sozialisten Untätigkeit vor angesichts einer bedrohlichen Wirtschaftslage: Arbeitslosigkeit und Staatsverschuldung haben Rekordhöhen erreicht. Die Diskussion über konkrete Maßnahmen lagerte Hollande in Kommissionen aus.

Zuerst setzte er wohltuende Wahlversprechen um, wie eine Obergrenze für Mieterhöhungen oder mehr Schulgeld. Trotz dieser Bemühungen, "pädagogisch" zu regieren, sank seine Popularität rapide: 59 Prozent der Franzosen sind laut Umfragen unzufrieden. Sein TV-Auftritt sollte zeigen, dass er noch da ist, die Zügel fest in der Hand.

Der Präsident erklärte, er visiere eine "Agenda der Sanierung" bis 2014 an - und viele hörten eine Anlehnung an den deutschen Ex-Kanzler Gerhard Schröder und dessen Agenda 2010 heraus, die in Frankreich als schmerzhafter, aber wirkungsvoller Schlüssel zum aktuellen Wirtschaftserfolg Deutschlands gilt.

Seine Rede von mehr "Flexi-Sicherheit" könnte ein flexibleres Arbeitsrecht im Austausch mit Jobgarantien vorbereiten. Kurzarbeit sehe er als probates Mittel für schwierige Zeiten. Man denke über eine Reform des Arbeitsmarktes und der Finanzierung der Sozialversicherung nach - beides tauchte im Wahlkampfprogramm nicht auf.

Die Wachstumsaussichten für 2013 von bislang 1,2 Prozent senkte Hollande auf 0,8 Prozent ab, um nicht ein Budget "auf falschen Hypothesen aufzubauen". Dennoch halte er am Ziel fest, 2013 die Neuverschuldung von derzeit 4,5 auf drei Prozent zu drücken.

Die laut Rechnungshof im Budget fehlenden 30 Milliarden Euro will er zu einem Drittel durch Ausgabenkürzungen in allen Ressorts außer Bildung und Sicherheit einholen und zu zwei Dritteln durch Steuererhöhungen, die sich gleichermaßen verteilen auf die Unternehmen und die Bürger - in erster Linie die Wohlhabenden. Am umstrittenen 75-prozentigen Steuersatz für Einkommen ab einer Million Euro halte er fest: "Franzose zu sein heißt, von seinem Land zu bekommen und ihm zu geben. Das ist Patriotismus."

Dieser Appell ging er auch an Bernard Arnault, als Chef des Luxuskonzerns LVMH (Louis Vuitton Moët Hennessy) reichster Franzose, dessen Antrag auf belgische Staatsbürgerschaft in Frankreich für einen Aufschrei gesorgt hat. Nachdem ihn vor allem die linke Presse als Steuerflüchtling beschimpfte, hat er zwar erklärt, er bleibe auch mit doppelter franko-belgischer Staatsbürgerschaft in Frankreich steuerpflichtig. Allein es glaubt ihm keiner.

Der Multimilliardär hatte im Wahlkampf Ex-Präsident Sarkozy unterstützt und gilt als Gegner von Hollandes Steuerplänen. Schon 1981 war er nach der Wahl des Sozialisten François Mitterrand in die USA gegangen.

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