Bonner Telekom schreibt 30 Milliarden Euro in den Wind

Wegen der zusammengebrochenen Marktpreise für Telekom-Firmen und Mobilfunk-Lizenzen sind die teuren Engagements in den USA und bei UMTS kaum noch etwas wert

Bonner Telekom schreibt 30 Milliarden Euro in den Wind
Foto: ddp

Frankfurt. (rtr) Die Deutsche Telekom plant nach Angaben aus Branchenkreisen Wertberichtigungen in historischer Rekordhöhe von knapp 30 Milliarden Euro auf Beteiligungen und Lizenzen. Damit würde der voraussichtliche neue Vorstandschef Kai-Uwe Ricke mit einer deutlich bereinigten Konzernbilanz an den Start geschickt.

Aus den Kreisen verlautete am Montag, der Aufsichtsrat werde in seiner Sitzung am Donnerstag über die Wertberichtigungen entscheiden. "Der Großteil der Abschreibung wird auf das US-Geschäft entfallen", verlautete aus den Kreisen. Durch eine Wertberichtigung reduziert sich zwar das Eigenkapital, allerdings fließt direkt kein Geld ab.

Zudem wird die Telekom voraussichtlich wegen eines Vetos der Regulierungsbehörde nicht wie erhofft, ihre Einnahmen durch höhere monatliche Grundgebühren für Telefonanschlüsse steigern können. An der Börse setzten die Aktien bei einem leicht schwächeren Markt ihre Talfahrt mit gut drei Prozent Einbuße fort. Von der Telekom gab es keine Stellungnahme.

Anlass für die Wertberichtigung in historischer Größenordnung sind die zusammengebrochenen Marktpreise für Telekommunikationsfirmen und Mobilfunk-Lizenzen. Die zum Teil auf dem Höhepunkt der Branchenkonjunktur erworbenen Vermögenswerte wurden in der Telekom-Bilanz zu den damaligen Preisen verbucht und müssen nun reduziert werden.

Sollte der Aufsichtsrat die vorgeschlagene Wertberichtigung auf seiner Sitzung am Donnerstag genehmigen, würde sich das Eigenkapital entsprechend reduzieren. Das Aufsichtsgremium will wie berichtet den bisherigen Mobilfunk-Chef Ricke zum Nachfolger für den im Juli ausgeschiedenen Konzernchef Ron Sommer küren. Ricke gilt als Vertrauter von Sommer. Beide hatte sich für den Einstieg der Telekom bei VoiceStream für mehr als 40 Milliarden Dollar im Jahr 2001 eingesetzt.

Am Donnerstag steht bei der Telekom auch die Bekanntgabe der Geschäftsergebnisse für die Zeit von Januar bis September an. Zusätzlich zu der ergebnisbelastenenden Wertberichtigung wird die Telekom voraussichtlich einen Nettoverlust aus dem laufenden Geschäft in Höhe mehrerer Milliarden Euro ausweisen. Bislang hatte der größte europäische Branchenanbieter einen Verlust von 5,5 Milliarden Euro zum Jahresende signalisiert.

Einem Bericht des "Handelsblatt" zufolge beläuft sich der Verlust im Neun-Monatszeitraum bereits auf rund fünf Milliarden Euro. Die Telekom wollte diese Zahl ebenso nicht kommentieren. Zum Halbjahr hatte sich der Nettoverlust knapp 3,9 Milliarden Euro betragen.

Der nach dem Rücktritt von Sommer von Interimschef Helmut Sihler forcierte Kurs der Kostensenkung und Ergebnisverbesserungen wird aller Voraussicht nach einen Rückschlag erleiden.

Die Nachrichtenagentur Reuters erfuhr aus mit der Situation vertrauten Branchenkreisen, dass die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post die neuerliche Anhebung der monatlichen Grundgebühr für analoge Telefonanschlüsse um 1,15 Euro auf 14,48 Euro ablehnen wird. Grund sei, dass es nach der Anhebung der Grundgebühr bereits zum Mai dieses Jahres trotz inzwischen günstigerer Gesprächsgebühren keinen Spielraum mehr für eine weitere Preiserhöhung gebe, verlautete aus den Kreisen.

Die Telekom hat rund 30 Millionen analoge Festnetzanschlüsse und zählt zusätzlich rund 20 Millionen ISDN-Anschlüsse. Die bei der Regulierungsbehörde beantragte Erhöhung der Grundgebühr für die analogen Anschlüsse würde den Telekom-Gewinn um deutlich mehr als 400 Millionen Euro pro Jahr steigern.

Der Kapitalmarkt reagierte auf die vom Telekom-Vorstand erwogenen Wertberichtigungen trotz der außergewöhnlichen Größenordnung gelassen. "Die Abschreibungen bei der Telekom sind nicht wirklich neu, auch wenn es die Stimmung für den Wert belastet", sagte ein Händler einer großen deutschen Bank. "Wirklich schlecht ist die Nachricht, dass die geplante Erhöhung der Grundgebühr voraussichtlich nicht genehmigt wird."

Auch Analyst Guy Paddy von der Deutschen Bank sagte: "Die Abschreibung ist absolut irrelevant, da sie nicht cash-wirksam ist. Die Auswirkung auf das operative Geschäft sind null", sagte er. Von Interesse sei die Fähigkeit der Telekom, ihre Schulden zu reduzieren.

Die Telekom plant, ihre durch milliardenschwere Zukäufe und Investitionen im In- und Ausland auf rund 64 Milliarden gestiegene Verschuldung bis Jahresende 2003 auf 50 Milliarden Euro zu senken. Außer aus Beteiligungsverkäufen soll die Refinanzierung der Finanzmittel sowohl durch Kosteneinsparungen bei Investitionen und Personal als auch durch Effizienzverbesserungen geleistet werden.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort