Sorge bei Landwirtschaftskammer in Bonn

Nach dem Beschluss der Kammern Rheinland und Westfalen-Lippe bangen viele der 450 Beschäftigten in der Bundesstadt um ihren Arbeitsplatz

Bonn. "Sie werden auch in Zukunft gebraucht; daran soll und wird sich nichts ändern", sagte NRW-Ministerpräsident Wolfgang Clement vor zwei Jahren aus Anlass des hundertjährigen Bestehens der Landwirtschaftskammern (LWK) Rheinland und Westfalen-Lippe in Bonn. Doch ihre Zukunft sehen viele Kammer-Mitarbeiter mit Sorge, nachdem die beiden Hauptversammlungen einer Vereinbarung zwischen ihren Kammerpräsidenten und NRW-Landwirtschaftsministerin Bärbel Höhn (Die Grünen) über eine Fusion zu einer Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen zugestimmt haben.

Die soll "so schnell wie möglich" erfolgen, wobei noch offen ist, wo der Sitz der dann einzigen LWK in NRW sein soll: Bonn als derzeitiger Sitz der Kammer Rheinland - oder Münster, dem Sitz der Kammer Westfalen-Lippe? Bis Mitte diesen Jahres soll eine Arbeitsgruppe eine Beschlussempfehlung ausarbeiten; die endgültige Entscheidung muss der Landtag treffen.

Nach Ansicht des Präsidenten der Kammer Rheinland, Wilhelm Lieven, sei es nur durch eine Aufgabe der selbstständigen Existenzen der beiden Kammern und den Zusammenschluss zu einer gemeinsamen Kammer möglich, vor dem Hintergrund der Kürzung der Landeszuschüsse für die Kammerarbeit in den kommenden Jahren die landwirtschaftliche Selbstverwaltung "lebensfähig" zu halten.

Lieven betonte, dass beide Kammern über drei Viertel ihres Haushaltsvolumens für Personal ausgeben; daher sei eine "solide Finanzierung der entscheidende Schlüssel zum Erhalt einer funktionierenden Selbstverwaltung". Und da in den vergangenen Jahren bereits "sehr massiv" Stellen abgebaut wurden - in Bonn alleine 183 seit 1998 -, sei man jetzt an einem Punkt angekommen, "wo das Potenzial für weitere Einsparungen bei gleichem Aufgabenumfang nur noch sehr gering ist".

Einsparungen sind nach Auffassung von Kammerdirektor Ludwig Hanebrink nur durch eine straffe Organisation in Verbindung mit Personalabbau zu erzielen. Nur die Fusion der beiden Kammern mit der Zusammenlegung der beiden Zentralen, der Höheren Forstbehörden und der Untersuchungseinrichtungen ermögliche "höchst mögliche Kosteneinsparungen ohne unzumutbare Belastungen für die Praxis". Hanebrink betonte, bisher sei weder über den juristischen Sitz noch über die Standorte der künftigen NRW-Landwirtschaftskammer eine Entscheidung getroffen worden.

Mit Ministerin Höhn sei man sich indes einig darüber, dass auch künftig sowohl in Bonn als auch in Münster für die Landwirtschaftskammer gearbeitet werde, wobei noch zu klären sei, wie die Aufgabenbereiche verteilt werden. Der Direktor betonte, dass es keine betriebsbedingten Kündigungen geben werde und bei notwendigen Verlagerungen von Arbeitsbereichen "soweit als möglich auf die Belange des Personals" Rücksicht genommen werden solle.

Auf diese Zusicherung pocht vor allem der Personalrat der LKW Rheinland. In der Zentrale und der Höheren Forstbehörde in der Endenicher Allee 60 in Bonn sowie der Landwirtschaftlichen Untersuchungs- und Forschungsanstalt (LUFA) in Bonn-Roleber - sie sind von der Fusion unmittelbar betroffen - arbeiten rund 450 der gut 1 100 Kammer-Beschäftigten. "Viele von ihnen machen sich Sorgen um ihre berufliche Zukunft, vor allem die über 50-Jährigen", sagte Personalratsvorsitzende Anne Müller dem GA auf Anfrage. Schwierig könne es auch für Kollegen mit Spezialausbildung werden, die vornehmlich in den Forschungsanstalten arbeiten.

Falls diese Einrichtungen geschlossen oder verkleinert würden, fänden sie "vermutlich so schnell keine neuen Stellen in der Nähe ihres Wohnortes". Der Personalrat könne derzeit aber noch nicht aktiv werden, da die Standort-Entscheidungen noch ausstehen. "Wir wissen noch nicht, wie schlimm es wird", sagt Anne Müller, die "auf jeden Fall" auf sozialverträgliche Lösungen pochen wird. Hauptaufgaben der Kammern sind Aus- und Fortbildung in den Berufsgruppen Land- und Forstwirtschaft sowie die Beratung der Bauern.

Sie sind als Körperschaften des öffentlichen Rechts Bindeglied zwischen öffentlichen Aufgaben und berufsständischer Selbstständigkeit.

Der Etatentwurf der LWK Rheinland weist für dieses Jahr Ausgaben von 74,710 Millionen Euro aus. Damit liegt das Haushaltsvolumen um 106 000 Euro über dem Vorjahr. Bekam die Kammer 1999 noch 50,04 Millionen Euro aus der Landeskasse, geht dieser Betrag in diesem Jahr auf knapp 47 Millionen Euro zurück.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Schlaue Entscheidung

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