Sportvereine fehlen Übungsleiter Im Siebengebirge droht Kinderturnen das Aus

Siebengebirge · Für die Sportvereine im Siebengebirge sind Angebote für Kinder und Jugendliche eine Herzensangelegenheit. Doch es gibt ein Problem: Es fehlt an Übungsleitern.

Kinder in Bewegung: Die sportlich-spielerischen Angebote der Vereine sind nur mit ehrenamtlichem Einsatz möglich.

Foto: Frank Homann

Weinberg und ihre Kollegen von den Sportfreunden Aegidienberg (SFA), Mirko Lorenz, vom Turnverein Königswinter (TVK), Heribert Joachim, sowie vom Allgemeinen Turnverein (ATV) Selhof, Florian Hambuch, sprechen sogar von einem „Übungsleiternotstand“.

Schlimmstenfalls müssten die Vereine ihre Angebote reduzieren, fusionieren oder sich auf lukrativere Angebote konzentrieren – „und sich aus dem gesellschaftlichen Auftrag Stück für Stück verabschieden“, befürchtet Weinberg. So weit dürfe es nicht kommen, sind die Vereinschefs überzeugt. Während sich die vier Vorstände beim Treffen in der TVE-Geschäftsstelle wiederholt den Kopf darüber zerbrechen, wie man der Entwicklung begegnen kann, toben sich nebenan in der Halle des TVE-Bewegungskindergartens die Kleinen aus.

Schuld an der Misere, da sind sich die Vertreter der Sportvereine einig, seien verschiedene Faktoren, die auch bei anderen Ehrenämtern zum Tragen kommen. Zum Beispiel der demografische Faktor: Viele Übungsleiter – übrigens nicht selten „ehrenamtliche Mehrfachtäter“ (Heribert Joachim), die sich auf vielen Feldern einbringen – engagieren sich schon viele Jahre. Sie werden also über kurz oder lang ausscheiden. Allein beim TVE sind es 2019 zehn von insgesamt 80, zehn weitere stehen in absehbarer Zeit ebenfalls für den Abschied an.

Und es kommen immer weniger neue Übungsleiter nach. Weinberg: „Früher war es so, dass Interessenten aus den Gruppen heraus kamen, etwa Mütter, die mit ihren Kindern in den Verein eintraten. Heute funktioniert Akquise nur noch face-to-face.“ So würde in der Schmusebären-Gruppe jede Mutter angesprochen. „Irgendwann bleibt mal eine hängen.“ „Klinken putzen“ nennt es Hambuch, dessen Verein aktuell 24 Übungsleiter hat.

Lange Wartelisten für Angebote

Während es im Talbereich zu wenig junge Familien gebe (Weinberg: „Wir brauchen den Zuzug, sonst gehen die Zahlen zurück und dann haben wir bald nur noch Senioren im Verein“), können sich die SFA darüber nicht beklagen. Lorenz: „Aegidienberg ist derzeit das einzige Zuzugsgebiet in der Stadt.“ Konsequenz: Die Nachfrage nach Kindertanzen oder Mutter-Kind-Turnen ist groß, es gibt lange Wartelisten. „Wir könnten wachsen. Aber es fehlen Übungsleiter. Wir leben von der Hand in den Mund.“ 25 Trainer und Übungsleiter haben die SFA aktuell, und „wenn es wieder mal klemmt, springt der Vorsitzende ein“, sagt Lorenz.

Ein weiteres Problem kennen alle Vereine: den gesellschaftlichen Wandel. Heute seien die Menschen mobiler, meist beide Elternteile berufstätig, ganze Familien pendelten und das Freizeitverhalten habe sich geändert. Es fehle die Bindung zum Ortsleben und damit zum „eigenen“ Verein. TVK-Chef Joachim, dessen Verein auf 14 Übungsleiter zurückgreifen kann: „Vereinsleben, wie wir es früher kannten, findet nicht mehr statt. Früher spielte man in Thomasberg Handball, in Oberpleis Fußball. Das waren halt die Heimatvereine.“ Und: Die Vereine würden nicht als ehrenamtliche Institutionen von Bürgern für Bürger, sondern als „Dienstleister“ gesehen, meint Weinberg. Man treibt Sport, zahlt seinen Vereinsbeitrag – und hat ansonsten nichts damit zu tun.

„Vielen ist nicht bewusst, dass Übungsleiter ehrenamtlich tätig sind. Beim Ehrenamt denkt man eher an soziale Belange, nicht an den Sport“, so Joachim. Den Mangel ausgleichen zu wollen, indem man Übungsleitern mehr zahle als die Aufwandsentschädigung halten die Vorstände für den falschen Weg. Hambuch: „Wenn ich das nur über Geld regeln würde, würden die wegfallen, die es aus Begeisterung, aus Überzeugung tun. Das würde das Ehrenamt ad absurdum führen.“

„Was uns wirklich fehlt, ist eine Aufwertung des Ehrenamtes“, sagt Lorenz. Und Weinberg ergänzt: „Die Übungsleiter sind die wichtigsten Ehrenamtlichen im Verein, sie sind das Bindeglied zu den Mitgliedern.“ Dazu, wie eine solche Aufwertung aussehen kann, fällt den Vorsitzenden einiges ein. Ein Beispiel: Die Leistungsanforderung für den Erhalt der Ehrenamtskarte – aktuell fünf Stunden pro Woche oder 250 Stunden im Jahr – so weit herunterfahren, dass auch Ehrenamtliche in den Genuss der Vergünstigungen kommen, die weniger Stunden im Einsatz sind. Hambuch: „Ich bin ja schon froh, wenn ich jemanden für eine Einheit finde. Bis auf eine Übungsleiterin habe ich aber niemanden, der die Stundenzahl für die Ehrenamtskarte erfüllt.“

Was die Qualität angeht, bräuchten die Vereine keine Konkurrenz im Sportsektor zu scheuen. Hambuch: „Alle Übungsleiter arbeiten hoch professionell, sind bestens aus- und fortgebildet, ob im Gesundheitssport oder wenn es um Maßnahmen bei bestimmten Leiden geht.“ Was, betrachte man den Zeitaufwand, auch ein Hindernis sein könne: Allein für den Erwerb des Übungsleiter-Grundscheins müssen zehn Wochenenden angesetzt werden. Bezahlt werden diese Kurse von den Vereinen.

Und wenn sich am Übungsleitermangel nichts ändert? Vereinsfusionieren, reduzierte Angebote oder auch eine Fokussierung auf den boomenden Gesundheitssport wären denkbare Konsequenzen für die Vereine. Besser aber wäre es, jetzt „zu säen, damit wir ernten können“, so Hambuch.