Ausstellung im AZK Königswinter Die Keimzelle der Integration

KÖNIGSWINTER · Mit der Ausstellung „20 faces, 20 stories“ gibt der Fotograf Paul Maaßen den Gesichtslosen ein Gesicht und den Verstummten eine Stimme. Die beeindruckenden Porträts sind noch bis zum Wochenende im Königswinterer Arbeitnehmerzentrum zu sehen.

 Gesichter und Geschichten: Karsten Matthis, Uwe Schummer, Paul Maaßen und Manfred Joosten im AZK.

Gesichter und Geschichten: Karsten Matthis, Uwe Schummer, Paul Maaßen und Manfred Joosten im AZK.

Foto: Frank Homann

Sie sind 20 von über einer Million Menschen, die im vergangenen Jahr nach Deutschland kamen, auf der Flucht vor Krieg, Hunger und Terror. In Krefeld, der vorläufigen Endstation ihrer Reise, sind sie zwar angekommen, doch ihren Platz im neuen Land haben sie noch nicht gefunden. Trotzdem wagen sie es, sich einem unbekannten Publikum zu öffnen: Hinter jeder der 20 Mienen, die, auf großformatigen Tafeln zur Porträtserie zusammengestellt, dem Betrachter entgegenblicken, steckt ein Name, eine Persönlichkeit, eine Geschichte. Mit seiner Ausstellung „Angekommen in Krefeld – 20 faces, 20 stories“, die ab sofort zusammen mit einem ausgewählten Querschnitt seiner früheren Fotoserie „Mein Platz in Kempen“ im Arbeitnehmerzentrum Königswinter (AZK) zu sehen ist, gibt der Fotograf Paul Maaßen den Gesichtslosen ein Gesicht – und den Verstummten eine Stimme.

Vor Kurzem erst realisiert auf Initiative der Volkshochschule Krefeld, ist mit „20 faces, 20 stories“ eine Ausstellung entstanden, die vor allem ein Ziel verfolgt: mit künstlerischem Anspruch inmitten einer kontrovers diskutierten Debatte einfach nur zu dokumentieren. Die 20 Porträts mit ihren dazugehörigen Interview-Steckbriefen zeigen die Porträtierten – sowohl wortwörtlich als auch im übertragenen Sinne – vor einem neutralen Hintergrund. „Ich wollte Menschenbildnisse, dazu O-Töne, aber auf keinen Fall gestellte Werbefotos“, erläuterte Maaßen, Leiter des Foto-Forums Kempen, seine Herangehensweise. „Die Menschen sollten ganz natürlich ihre Persönlichkeit der Kamera preisgeben.“ Soll heißen: Die Gesichter und im Interview geschilderte Erfahrungen der Geflüchteten sprechen für sich – manchmal Hoffnungsvolles, manchmal Traumatisches, stets Privates.

Trotz einer auf den ersten Blick ähnlichen Methodik könnten die beiden Projekte im Detail kaum unterschiedlicher sein. „20 faces, 20 stories“ dokumentiert in ebenso schlichten wie eindrucksvollen Porträtaufnahmen aktuelle Flüchtlingsschicksale, „Mein Platz in Kempen“ hingegen thematisiert auf 54 Tafeln die Gedanken von Zugewanderten, die meist bereits seit vielen Jahren als Bürger unter Bürgern in der Kempener Gemeinschaft leben. Gelungene Integration einerseits, analog und in schwarz-weiß bebildert, dem gegenüber eine ungewisse Zukunft in Krefeld, digital und in Farbe geschossen. Und während bei den „20 faces“ nur die Gesichter selbst inklusive ihrer O-Töne im Fokus stehen sollten, sprach bei „Mein Platz in Kempen“ auch ebenjener Platz, an dem sich die Teilnehmer fotografieren ließen, seine ganz eigene Sprache.

Denn um die Leute ins Gespräch zu bringen, habe es stets „Türöffner“ gebraucht, so Maaßen: „Wenn man sein Gesicht einer Kamera präsentiert, muss man eine Menge Vertrauen haben.“ Beim Krefelder Projekt gaben internationale Kontakte an der Volkshochschule den entscheidenden Impuls, bei der Kempener Reihe aus dem Jahr 2008 hingegen war es der Ort des Fotografierens selbst. „Die Menschen konnten damals einen Ort wählen, der für sie und ihr Leben von Bedeutung ist“, so Maaßens Kollege Manfred Joosten. Ob der örtliche Fußballplatz oder die eigene Wohnung – jeder setzte sich an einer wichtigen Station seines Lebens in Szene. Und wenn der Dialog auf Anhieb nicht klappen wollte? „Dann“, so Maaßen, „hat es spätestens im zweiten oder dritten Anlauf geklappt.“ Denn die persönlichen Geschichten verlangten danach, erzählt zu werden.

Die Personen unmittelbar kennenlernen, um die Grundlage für Herzlichkeit zu schaffen – „das ist die Keimzelle der Integration“, befand Uwe Schummer, Bundestagsmitglied und selbst Pate eines Flüchtlingskindes, in seiner Einführung. Otto Birkmann, Vizebürgermeister der Stadt Kempen, erinnerte indes an die große Resonanz, auf die die „Mein Platz“-Ausstellung seinerzeit gestoßen war: Mehr als 5000 Besucher seien ins Rathaus gekommen, viele davon sogar mehrmals, um alle Geschichten in Ruhe zu lesen. „Viele waren überrascht, dort auf die Porträts langjähriger Bekannter zu stoßen“, so Birkmann. „Genau das ist das Zeichen für gelungene Integration: Wenn man gar nicht mehr bewusst wahrnimmt, dass die Wurzeln des Gegenübers woanders liegen.“

Die Ausstellung ist noch bis Samstag, 16. Juli, im Arbeitnehmerzentrum Königswinter, Johannes-Albers-Allee 3, zu den regulären Öffnungszeiten zu sehen.

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