Schloss Drachenburg Mitarbeiterin entdeckte verschollenes Gemälde im Auktionshandel

KÖNIGSWINTER · Jahrzehntelang galt es als verschollen: das Wandgemälde aus dem Nibelungenzimmer in Schloss Drachenburg, das Volker und Hagen bei der Nachtwache zeigt. Dabei hing das auf Leinwand gemalte Opus all die Jahre nur wenige Kilometer entfernt über dem Sofa jenes Mannes, der es in den Wirren nach dem Zweiten Weltkrieg von der Wand schnitt. Dank der akribischen Recherche der Mitarbeiter von Schloss Drachenburg ist es nun an seinen Ursprungsort zurückgekehrt.

Original und "Fälschung": Tanja Bleutgen-Wagner (vorne) und Walburga Schulte Wien mit dem zurückgekehrten Gemälde. An der Wand darüber: Das nachempfundene Bild.

Original und "Fälschung": Tanja Bleutgen-Wagner (vorne) und Walburga Schulte Wien mit dem zurückgekehrten Gemälde. An der Wand darüber: Das nachempfundene Bild.

Foto: Frank Homann

Ein wenig in Mitleidenschaft gezogen, weil der neue Besitzer ein starker Raucher war. Aber für die beiden wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen von Schloss Drachenburg, Tanja Bleutgen-Wagner und Walburga Schulte Wien, ist es, als wäre mit dem Gemälde von Frank Kirchbach ein verlorener Sohn nach Hause gekommen.

Rückblende: Im Zweiten Weltkrieg wurde Schloss Drachenburg schwer beschädigt. Die Zukunft des Schlosses war unklar, es zerfiel zusehends, selbst ein Abriss wurde in Erwägung gezogen. In dieser Zeit kamen die Souvenirjäger den Berg herauf und nahmen alles mit, was nicht niet- und nagelfest war. Das galt für die buntverglasten Fenster ebenso wie für die Wandbilder, bemalte Leinwände, die mit Leim an den Wänden und Decken des Schlosses angebracht waren und sich - nicht zuletzt durch die Feuchtigkeit im Schloss - vergleichsweise leicht entfernen ließen.

Dabei waren die Souvenirjäger - die Mitarbeiterinnen vermeiden aus Überzeugung das Wort Diebe - mitunter durchaus wählerisch. Im Nibelungenzimmer wurde aus der Hochzeitsszene zum Beispiel ganz bewusst ein Hund herausgeschnitten. In anderen Fällen mag der Pragmatismus der "Sammler" gesiegt haben: Sie nahmen mit, was sich leicht erreichen ließ.

Im Falle der "Nachtwache" schnitt der Kunstfreund das gesamte Gemälde aus der Wand und rollte die Leinwand zusammen. Dass die beiden Expertinnen so genau wissen, was damals geschah, liegt daran, dass sie einen Augenzeugen fanden, der von den Vorgängen berichtet hat. Auch von seinem Besuch in der Wohnung jenes Mannes, der es mitnahm: Es hing über dem Sofa.

"Der Mann hat es auf eine Hartfaserplatte geklebt und mit einem provisorischen Rahmen versehen", beschreibt Schulte Wien. Dass er dabei auch gleich Putz, der sich noch auf der Rückseite des Bildes befand, mit verklebte, störte ihn offenbar wenig. Auch sonst ist das Bild an einigen Stellen beschädigt, im Falle des dargestellten Instruments griff der neue Besitzer offenbar selbst zum Pinsel, um die Schadstellen zu übermalen.

Die Erben wussten ganz offensichtlich nicht, was da über dem Sofa hing. Sie beschlossen das Bild zu verkaufen, es kam als "Wikinger-Gemälde" in den Auktionshandel. Und da wäre es wohl als Werk eines unbekannten Künstlers unter den Hammer gekommen, wären da nicht die scharfen Augen von Tanja Bleutgen-Wagner gewesen. Jede Woche sichten sie und ihre Kollegen Tausende Bilder, die für den Verkauf bestimmt sind, in Katalogen und im Internet.

Dass sie wissen, wonach sie suchen, verdanken sie der Tatsache, dass das Anwesen bereits vor dem Krieg Touristenziel war und es Fotografien und Beschreibungen in großer Fülle davon gibt, wie es im Schloss einst ausgesehen hat. Diese Tatsache nutzte auch schon der exzentrische Paul Spinat, der das Schloss 1971 erwarb und damit vermutlich vor der totalen Zerstörung bewahrte. Er restaurierte es nach seinem ganz persönlichen Geschmack - so "ersetzte" er die fehlenden Buntglasfenster, indem er die Scheiben mit einer Art Fingerfarbe bemalen ließ und auch sein eigenes Konterfei an prominenter Stelle dort unterbrachte.

Und er engagierte den damaligen Nachwuchskünstler Peter Tutzauer, heute ein bekannter Bonner Maler, damit dieser die fehlenden Wandgemäldeteile nachempfand, ein Werk, über das der Künstler heute selbst ein wenig schmunzeln muss, wie Schulte Wien berichtet. So kommt es auch, dass man nach der Restaurierung des wiederentdeckten Gemäldes künftig Original und "Fälschung" im Nibelungenzimmer des Schlosses nebeneinander bewundern kann.

Suche nach fehlenden Gemälden und Buntverglasungen

29 zum Teil großformatige Wandgemälde und rund 100 Buntverglasungen werden noch vermisst. Einige der verschwundenen Bunterverglasungen entdeckten die Mitarbeiter bei Rundgängen durch Königswinter, eingebaut in Häuser. Andere Dinge brachten Bürger zurück, weil sie vermuteten, sie könnten zum Schloss gehören. Und der neueste Fund macht Hoffnung. Man sei für jeden Hinweis dankbar, so Schulte Wien. Schwierigkeiten müsse niemand befürchten.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort