Sebastian von den Driesch 19-jähriger aus Sankt Augustin arbeitet als Model in Mailand

SANKT AUGUSTIN · Der Fotograf hebt die Kamera, und wie auf Knopfdruck verändert sich etwas in Sebastians Gesicht. Ein ernster, cooler Blick lässt seine weichen, jungenhaften Züge plötzlich maskuliner erscheinen. Der junge Mann nimmt die Schultern zurück, die Siegburger Marktpassage wird zum Catwalk. Zwei Frauen schauen von ihren Kaffeetassen auf, während der 19-Jährige ein paar lässige Schritte auf die Kamera zu macht, wie er es schon zwei Mal für Versace bei Modenschauen in Mailand getan hat. Sebastian von den Driesch aus Sankt Augustin arbeitet als Model.

 Die Siegburger Marktpassage wird zum Catwalk: Sebastian von den Driesch läuft, und wer ihn sieht, freut sich darüber.

Die Siegburger Marktpassage wird zum Catwalk: Sebastian von den Driesch läuft, und wer ihn sieht, freut sich darüber.

Foto: Holger Arndt

Eigentlich wollte der Niederpleiser im August des vergangenen Jahres mit seiner damaligen Freundin nur ein bisschen in Köln shoppen gehen, als er von einem Model-Scout auf der Schildergasse angesprochen wurde. ",Du bist mir aufgefallen', hat die Frau gesagt, und ich habe mich gefragt, Wie kann ich denn auffallen?'", schildert der schlanke, 1,89 Meter große, dunkelblonde 19-Jährige mit der tiefen Stimme, zu dem man im Netz Kommentare findet wie "Deutsch Wunderkind" mit "jungenhaft engelgleichem und zugleich teuflisch männlichem Aussehen". Und der erzählt, dass er früher lange Haare hatte, bis er 15 war eine feste Zahnspange trug und "eher der lustige Typ, der Entertainer, nicht der Hübsche" war.

Seit einem Jahr lebt er wie in zwei Welten. In der einen, in Mailand, ist er das "New Face", das neue Gesicht in der Modeszene, das auf der Aftershowparty mit Donatella Versace fürs Facebookfoto posiert und dem die Leute "Ciao Bello" zurufen; das im Klamottenladen schon mal ein T-Shirt umsonst und im Club freien Eintritt bekommt.

In der anderen Welt, in Sankt Augustin, ist er der "Sep", der "Basti", der bei seinen Eltern wohnt, den Hund ausführt und die Katzen füttert; der in einem Bonner Bekleidungsgeschäft als Verkäufer arbeitet und sich auf Facebook mit dem Wikipedia-Eintrag von "Testosteron" verlinkt hat; der neben viel Sport - Laufen, Fitnessstudio - gerne mit Freunden zum Bowlen geht und nach dem Pressegespräch die Oma in Siegburg besucht.

Nachdem Sebastian in Köln angesprochen wurde, ging alles recht schnell. Im September schoss der Berufsschüler Probefotos in einer Kölner Model-Agentur, und dann kam der Anruf, ob er im Januar bei der Modewoche in Mailand für Versace laufen wolle. "Das ist eine Chance, die nicht jeder bekommt", ist ihm auch heute noch klar, und er ergriff sie. Als Dritter in der Show durfte er raus auf den Laufsteg, in einem dunkelblauen Anzug, mit Zeitungspapier vorne in den Schuhen, weil sie zu groß waren, und mit einer Frisur, für die er drei Stunden in der "Waschstraße für Menschen" gesessen hat, wie er das Styling beschreibt. "In dem Moment, wo man rauskommt, denkt man nichts mehr", sagt Sebastian, "in dem Moment bist du der Star, alle Augen sind auf dich gerichtet."

Inzwischen war der 19-Jährige, der nach der Mittleren Reife an der Beueler Gesamtschule eigentlich eine Ausbildung zum Elektrotechniker machte, schon mehrfach für einige Wochen in Mailand. Nächstes Frühjahr soll es für ein halbes Jahr nach New York gehen. Er hat bereits ein Fitting - eine Art Probetragen der Designermode - für Neil Barrett absolviert und eine zweite Modenschau sowie Fotoshoot und Pressetermin für Versace bestritten.

Natürlich sei seine Familie, der Vater Leiter des Kreisveterinäramtes, die Mutter gelernte Tierarzthelferin, der ältere Bruder Lehramtsstudent, zunächst skeptisch gewesen. Aber jetzt seien sie stolz auf ihn. "Jeder geht eben seinen eigenen Weg, und das möchte ich auch beweisen", sagt Sebastian. "Vielleicht ziehe ich das durch, bis ich so 25 bin", meint er.

Dann schwebt ihm eine Ausbildung als Immobilien- oder Industriekaufmann vor, der Elektrikerberuf sei nicht das Richtige für ihn gewesen. Und auch wenn er zurzeit keine feste Freundin hat, weiß er, dass er später eine Familie und ein Haus haben möchte. Ihm sei klar, dass das Modelleben auch schnell wieder vorbei sein kann. "Aber dann nehme ich's als 'ne gute Erfahrung. Was ich erlebt hab', kann mir keiner mehr nehmen", sagt der junge Mann. "Davon kann ich noch meinen Kindern und Enkeln erzählen."

Von Castings und Augenringen
Wenn Sebastian von Mailand erzählt, von After-Show-Partys und angesagten Clubs, aber auch von Castings, bei denen rund 300 Models bis zu drei Stunden lang darauf warten, die ihnen zustehenden kurzen zwei Minuten zu nutzen, um den Job zu ergattern, sprudelt es nur so aus ihm heraus. "Das ist nicht wie bei Germany's Next Top Model, dass alle schön in einer Model-WG wohnen und Heidi Klum für einen dolmetscht", sagt der 19-Jährige.

"Im echten Leben bist du auf dich alleine gestellt, bekommst von deiner Agentur einen Laufzettel und einen Stadtplan in die Hand gedrückt und dann geht es von Casting zu Casting, morgens um 7 raus und abends um 10 Uhr wieder ins Hotel." Da sei man am Ende des Tages ganz schön k.o. "Und der Druck, perfekt auszusehen, ist enorm hoch", ergänzt er, "für Augenringe kriegt man einen Anschiss". Es sei eben "eine ganz andere Welt", sagt der 19-Jährige, "die hat zwei Facetten: einmal das Highlife, das nicht jeder genießen kann."

Es sei aber auch eine oberflächliche, einsame Welt, mit Stress und Freunden auf Zeit. "Da verlieren manche schon den Boden unter den Füßen", spielt er auf das Thema Drogen an. Ob ihm das keine Angst mache? "Man muss halt aufpassen", sagt er. Ihm sei vor allem der Kontakt zu Freunden und Familie wichtig. "Das baut mich auf und gibt mir Stärke, ohne sie könnte ich das gar nicht."

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