Ehrenamt Schiedsmann Wenn zwei sich streiten

MECKENHEIM · Zehn Jahre lang hatten die Nachbarn nicht mehr miteinander gesprochen. Eine unverputzte und unansehnliche Garagenrückwand und der Ruß verbrannter Gartenabfälle waren Anlass für die Streitigkeiten.

 30 Jahre Schiedsmann: Hans-Günther Botzem aus Meckenheim

30 Jahre Schiedsmann: Hans-Günther Botzem aus Meckenheim

Foto: Axel Vogel

Doch nach dem Gespräch mit Schiedsmann Hans-Günther Botzem fuhren die streitenden Parteien gemeinsam in einem Auto nach Hause, haben später die hässliche Garagenwand einvernehmlich angestrichen und im Anschluss noch Kaffeeklatsch gehalten.

Diese Begebenheit ist Hans-Günther Botzems liebster Fall in seiner 30-jährigen ehrenamtlichen Tätigkeit als Schiedsperson in Meckenheim. "Ich freue mich, wenn ich streitende Parteien wieder unter einen Hut kriege", erläutert der 70-Jährige seine Motivation. Zum 150-jährigen Bestehen des Landgerichts Bonn im Jahr 2000 hat er den Fall um die Garagenwand gemeinsam mit seiner damaligen Kollegin Karola Steves als Frau Lauter und seinem Kollegen Walter Wette als Herr Bös aufgeführt. "Wie im Königlich Bayerischen Amtsgericht", vergleicht Botzem das kleine Kammerstück mit einer Fernsehserie aus den späten 60er Jahren.

Meist sind Nachbarstreitigkeiten, zum Beispiel wegen Lärmbelästigung, Einfriedungen oder Dachtraufen, Grund für den Gang zum Schiedsmann, seltener Strafsachen wie Beleidigung, leichte Körperverletzung, Bedrohung, Sachbeschädigung oder Verletzung des Briefgeheimnisses die Ursache. Antragsteller müssen vorab die Gebühr von etwa 50 Euro bezahlen und den Sachverhalt schriftlich darstellen.

Botzem selbst lädt dann die Kontrahenten zur Schlichtungsverhandlung. Darüber wird gemeinsam ein Protokoll aufgesetzt, das von allen unterschrieben wird und 30 Jahre gültig ist. Von der Verhandlung darf keine der Parteien etwas nach außen tragen. Indes: Eine Verpflichtung, sich zu einigen, besteht nicht. Wenn man sich nicht einigen kann, gibt es darüber eine Bescheinigung und die Kontrahenten können damit dann auch vor Gericht ziehen. Sinn des Schiedsamtes, das es seit etwa 200 Jahren gibt, ist, die Gerichte zu entlasten.

Ein Schiedsmann ist kein Rechtsberater. Als sich Hans-Günther Botzem vor 30 Jahren um das Ehrenamt bewarb, war er überrascht und glücklich, vom Stadtrat gewählt zu werden. Botzem war 37 Jahre lang selbstständiger Handelsvertreter - die meisten Schlichtungsgespräche hat er freitagabends zunächst im eigenen Wohnzimmer, später im Rathaus geführt.

Etwa 200 Fälle hat Botzem in den vergangenen 30 Jahren betreut, etwa die Hälfte zu einer Einigung geführt. Das sei einfacher, wenn nur die Männer zum Schlichtungstermin erscheinen, schwieriger, wenn die Ehefrauen dabei seien und noch schwerer, wenn auch Rechtsanwälte mitkommen.

In Meckenheim würden sich mehr Neubürger streiten als Alteingesessene, berichtet Botzem von seinen Erfahrungen und macht dafür die enge Bebauung verantwortlich. Ende März legt Hans-Günther Botzem das Ehrenamt aus Altersgründen nieder. 1,20 Regal-Meter Aktenordner gibt er dann ans Gericht. Was ihn zu seiner Aufgabe befähigt habe? "Dass ich zuhören kann." Seinem Nachfolger rät er, den Menschen das Gefühl zu geben, dass sie bei ihm gut aufgehoben sind, und bietet ihm an, ihn bei den ersten Fällen zu begleiten.

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