Wasserspritzer sollten Anna zum Essen zwingen

Beim Prozess im Bonner Landgericht berichtet ein Freund der Pflegefamilie über deren Alltag. Häufig passte er abends auf das Mädchen und den leiblichen Sohn auf. "Nach außen waren sie ganz normale und vernünftige Eheleute."

Wasserspritzer sollten Anna zum Essen zwingen
Foto: Roland Kohls

Bad Honnef/Bonn. "Nach außen waren sie ganz normale und vernünftige Eheleute." Der Zeuge, der am Donnerstag im Prozess gegen Annas Pflegeeltern vor dem Bonner Landgericht aussagt, bezeichnet sich als Freund der Familie.

Nach der Aussage des Rechtsmediziners, dass die Angeklagten das Mädchen möglicherweise bis zu fünf Minuten unter Wasser gedrückt haben, bis es ertrank, müssen sich die Pflegeeltern nun eventuell wegen gemeinschaftlichen Mordes verantworten.

Der 34-jährige Koch aus Bad Honnef lernte die Pflegefamilie durch seine frühere Lebensgefährtin kennen, sie spielten zusammen im Dartverein und er ging bis zu Annas Tod bei ihnen ein und aus. Häufig passte er abends auf das Mädchen und den leiblichen Sohn auf.

Der Zeuge erlebte die Pflegemutter als meist freundlich und liebevoll gegenüber ihrem leiblichen Sohn und den Tagespflegekindern und auch ihm gegenüber habe sie sich wie eine Mutter verhalten. "Das war ein völlig anderes Miteinander als mit Anna." Bei Anna sei die Pflegemutter ein ganz anderer Mensch gewesen.

Da habe sie eine "Grundgereiztheit" an den Tag gelegt, die immer schlimmer wurde. Er habe dem Ehepaar gesagt, sie müssten etwas unternehmen, sonst machten sie sich kaputt. Die Pflegemutter habe auch wegen eines Heimplatzes herumtelefoniert. "Das war eine Odyssee. Es hieß dann, man habe einen Platz, dann ist das aber wieder geplatzt. Doch dann sollte sie am 28. Juli wirklich ins Heim." Dazu kam es jedoch nicht mehr: Anna starb am 22. Juli.

"Wenn ich abends auf sie aufpasste, hat Anna oft ganz still in der Ecke gestanden und regelrecht Angst gehabt, sich zu bewegen", erzählt er im Prozess. "Ich kriege sonst Ärger", habe sie gesagt. Anna habe drei bis vier daumendicke Stullen mit Wurst und Käse in einer vorgeschriebenen Zeit essen müssen, obwohl sie nicht unterernährt gewesen sei.

Die Pflegemutter habe gesagt: "Du hast 15 Minuten Zeit, sonst geht es ab in die Badewanne." Und zwar mit dem Teller. Sie habe auch erzählt, auf Anraten ihrer Kinderpsychologin versuche sie mit Wasserspritzern ins Gesicht bei Anna den Schluckreflex auszulösen. Den Ehemann bezeichnete der Zeuge bereits bei der Vernehmung als "Butler mit Ehering" und "Depp vom Dienst".

"Er hat sich von seiner Frau alles gefallen lassen. Er war der Schussel, der Trottel, der Blödmann." Der Angeklagte sitzt nur wenige Meter von ihm entfernt, wie meistens den Kopf auf die gefalteten Hände gestützt und vermeidet den Blickkontakt.

Als weiterer Zeuge sagte eine Internetbekanntschaft der Pflegemutter aus. Dem 51-jährigen Kellner aus dem hessischen Kaufungen berichtete sie im Chatroom und bei mehreren Telefonaten, sie sei leitende OP-Schwester und würde als Kinderkrankenschwester in einem Kindergarten arbeiten.

Als er mal ihren Mann am Telefon hatte und der sich auch so vorgestellt habe, habe sie den Hörer übernommen und ihren Mann als Schwager ausgegeben. Deutlich vernehmbar habe sie dann zu ihrem Mann gesagt: "Ich würde dich niemals heiraten."

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