Nachtleben in der Corona-Zeit Bonner Clubs bangen um ihre Zukunft
Bonn · Seit fast drei Monaten sind das Untergrund und die Nachtschicht geschlossen. Wann die Bonner Clubs wieder aufmachen dürfen, weiß niemand. Betreiber, aber auch DJs machen sich Sorgen um ihre Existenz.
Das Ende kam für Alex Knörck dann doch abrupt. „Wir hatten eigentlich noch gehofft, dass wir am Abend aufmachen können“, sagt der Betriebsleiter des Nachtclubs Untergrund am Telefon. Am 13. März aber machte die Stadt wegen des Coronavirus die Clubs dicht. Die Plattenteller kamen zum Stillstand, genau wie die Partymaschinerie des Untergrunds. Rund 35 Mitarbeiter kümmern sich in dem Club darum, dass alles läuft – DJs, Sicherheitsleute, Thekenkräfte. Viele sind Studenten und arbeiten für 450 Euro im Monat. Für sie fallen auch Trinkgelder weg. Laut Knörck können das 400 Euro extra sein. „Die mussten von heute auf morgen gucken, wie sie klarkommen“, sagt er. „Da gibt es noch überhaupt keine Unterstützung.“
Getränke im Kühlhaus werden schlecht
In Siegburg leitet er noch das Casbah – ein Restaurant und Club. Für alle fallen Miete und andere Fixkosten an. Das sei eine sechsstellige Summe im Monat, sagt der 43-Jährige. Im Casbah gibt es auf der Terrasse um die 80 Tische. „Normalerweise ist da bei einem Wetter wie jetzt alles voll.“ Vor einigen Wochen haben sie einen Lieferservice aufgezogen. Die Mitarbeiter sind in Kurzarbeit. Um ihnen ein bisschen zu helfen, können sie sich einmal am Tag ein Essen im Laden abholen. Viel Solidarität erfährt Knörck auch von seinen Gästen, die spenden oder Gutscheine kaufen.
Für alle, die auch während der Pandemie feiern wollen, hat das Untergrund schon Auftritte von DJs ins Netz gestellt. Auf BonnLive ist Knörck, der auch selber auflegt, zu sehen, wie er in Schutzanzug und mit Maske an den Plattentellern steht. Auf der Plattform sind auch Shows von DJs aus anderen Bonner Clubs zu sehen.
Dass bald wieder Leute in seinen Läden tanzen, davon geht Knörck nicht aus. „Wir werden wahrscheinlich die letzten sein, die wieder öffnen dürfen“, sagt er. Derzeit werde spekuliert ohne Ende, genaues weiß aber niemand. „Und falls es dann sowas wie Mindestabstände geben soll, brauchst du einen Club auch gar nicht erst aufmachen.“ Bei einer Person pro 10 Quadratmeter könnte er 80 Leute ins Untergrund lassen. Das würde sich kaum lohnen.
Einen kurzen Hoffnungsschimmer gab es, als die Kinos wieder aufmachen durften. „Da dachte ich, jetzt geht’s wieder los“, sagt Knörck. Er befürchtet, dass clubtechnisch in diesem Jahr vielleicht sogar gar nichts mehr geht. Was auch problematisch ist, weil er, kurz bevor er schließen musste, das Kühlhaus des Clubs noch mal aufgestockt hatte. „Ich habe 240 Kästen Bier, Cola und Säfte – das wird alles schlecht“, sagt er. Nicht nur um den Club macht er sich sorgen. Gerade ist er zum dritten Mal Vater geworden. „Das sind jetzt Existenzängste hoch zehn“, sagt Knörck. Aber wenn es in den Clubs wieder Partys gibt, rechnet er damit, dass es richtig abgeht. Knörck sagt: „Ich denke, alle werden kommen. Die Leute haben Bock, wieder rauszugehen.“
Dass es noch eine Weile dauert, bis die Bässe wieder in seinem Club wummern, davon geht auch Daniel Jakob aus. Er betreibt zusammen mit Hans Plum die Nachtschicht und die Nachtlounge. Wie sie feiern wollen, wenn es wieder losgeht, darüber hat er sich bisher wenig Gedanken gemacht.
Obwohl er überhaupt nicht weiß, wann er seine Läden wieder aufmachen kann, wirkt Jakob am Telefon recht entspannt. „Ich bin nicht wahnsinnig besorgt“, sagt er. „Wir sind ganz gut aufgestellt, das Geld wird eine Weile reichen.“ Er denkt, dass er finanziell problemlos noch einige Zeit über die Runden kommt. Der Vermieter ist den beiden entgegengekommen. Sie zahlen gerade erst mal nur Nebenkosten. Sorgen macht sich Jakob aber um Läden, die keine Rücklagen bilden konnten, weil sie kleiner sind oder noch nicht so lange im Geschäft. „Die kommen früher in Probleme“, sagt Jakob. Besorgt sei er auch um seine Mitarbeiter, viele sind Studenten, und besonders um seine DJs. „Das sind alles Selbstständige“, sagt Jakob. „Denen fällt die ganze Saison weg.“
„Ich habe 15 bis 20 Gigs im Monat“, sagt der DJ Nicolas Decker, der regelmäßig in der Nachtschicht auflegt. Sein Körper freue sich über die momentane Pause. Aber auch wenn er gut gewirtschaftet habe, reiche der Puffer nur bis August. Er habe durchaus Angst um seine Existenz, sagt der 40-Jährige am Telefon. Aus der Soforthilfe, die er als Selbstständiger bekommen hat, könne er sich kein Gehalt auszahlen.
Er schwebe derzeit permanent zwischen Hoffnung und Enttäuschung. „Als rauskam, dass es bis zum 31. August keine Großveranstaltung gibt, war ich echt fertig“, sagt er. „Da gehen alle meine Hochzeiten, Firmen-Events und Sommerfeste flöten.“ Auch er hat schon Auftritte aufgenommen und sie ins Netz gestellt. Aber da fehle der Kontakt zum Publikum, die Stimmung. Decker ist sich sicher: „Wenn ich das erste Mal wieder im Club auflegen kann, werden Tränchen fließen.“