"Hurenabend" im Pantheon "So gesittet ist Bonn auch gar nicht"

BONN · Im Pantheon feiert ein "Hurenabend" mit Liedern von Bert Brecht und Kurt Weill Premiere. Interview mit Regisseur Michael Barfuß.

 Singen beim "LALA Hurenabend" Lieder von Brecht und Weill: Jana Rahma (von links), Swetlana Saam und Muriel Leonie Graf.

Singen beim "LALA Hurenabend" Lieder von Brecht und Weill: Jana Rahma (von links), Swetlana Saam und Muriel Leonie Graf.

Foto: Klaus W. Schmidt

Heute Abend hat der "LALA Hurenabend" mit Liedern von Bert Brecht und Kurt Weill im Phanteon Casino Premiere. Mit Regisseur Michael Barfuss sprach Ebba Hagenberg-Miliu.

Ein "Hurenabend" im gesitteten Bonn. Wir haben aber keine nackten Tatsachen zu erwarten?
Michael Barfuß: Sicherlich nein, dafür aber hinreißende Musik, großartige Stimmen und sehr kluge Texte, die sehr real und ungewöhnlich einfühlend aus der Perspektive der Mädchen und Frauen des "Gewerbes" geschrieben sind. Übrigens: So gesittet ist Bonn auch gar nicht. Es hat ja keine Scham, sich ein Rotlichviertel zu leisten, ironischerweise gleich neben dem ultrabürgerlichen "Musikerviertel".

Sie sagen, das älteste Gewerbe der Welt wird immer noch tabuisiert?
Barfuß: Im Grunde hält sich unsere Gesellschaft eine Kaste der "Unberührbaren", der Stigmatisierten. Wer diesen Beruf ergriffen hat, ist für sein Leben gezeichnet, geächtet und ausgestoßen. Die Politik bemüht sich zwar, eine scheinbar vernünftige Gesetzgebung zu schaffen, aber diese scheitert immer an der kriminellen Basis des Rotlichmilieus.

Im Fokus stehen also Texte von Bertolt Brecht, der, jetzt mal provozierend gefragt, Frauen in Mütter, Jungfrauen und Huren einteilte?
Barfuß: Das ist das Faszinierende an Brecht: Dass er diese Aufteilung eben nicht macht. Er fragt nach dem Zusammenhang zwischen Ökonomie und Sexualität und findet sie in der bürgerlichen Versorgungsehe genauso wie bei den Dirnen. Die beherrschende Macht des Geldes ist für ihn die treibende Kraft dieser modernen Form der Sklaverei.

Also ein absolut aktuelles Thema?
Barfuß: Ja, gerade in den heutigen Zeiten der extrem auseinanderklaffenden reichen und armen Staaten Europas, aus denen die Menschenhändler ihren "Nachschub" generieren, den sie mit der Hoffnung auf ein besseres Leben anlocken.

Sie arbeiten mit Material der "Dreigroschenoper"?
Barfuß: Direkt aus ihr sind tatsächlich nur zwei Lieder, die es aber in sich haben: Denn wer hat wie Brecht je über die "sexuelle Hörigkeit" der Männer so ironisch und gleichzeitig intelligent geschrieben? Kurt Weill und Brecht haben zu diesem Thema eine Fülle von brillanten und geistreichen Liedern und Texten geschrieben.

Ihr Programm ist also auch eine Hommage an Kurt Weill?
Barfuß: Er gehört für mich zu den modernsten Komponisten überhaupt. Die Raffinesse, diese sehr aufregende Mischung aus Jazz, Song und klassischer Technik, seine ergreifende und aufwühlende Melodik, seine sehr spezifische Harmonik, die mit der Mixtur aus Süße und Schroffheit arbeitet, seine berühmten "falschen Bässe" - all das macht die Arbeit mit seiner Musik sehr vergnüglich.

Weill hat sich in seinem Verhältnis zu Hollywood ebenfalls als Hure gesehen?
Barfuß: Das "Sich verkaufen" an den Markt der Hollywood-Filme und Broadway-Musicals mit ihrer normierten Musiksprache war für Weill ein sehr schmerzhaftes Verkaufen seiner künstlerischen Integrität. Allerdings hat er dem normierten Markt immer ein Schnippchen geschlagen und zeitlose Kompositionen geschaffen - und auch aus dieser Periode seines Schaffens werden wir Lieder spielen, die mittlerweile zu Klassikern ihres Genres gehören.

Und zum Schluss: Mit welchen Musikern arbeiten Sie?
Barfuß: Der Jazzpianist Marcus Schinkel wird den "Hurenabend" begleiten. Aber das Herz des Abends sind natürlich die Schauspielerinnen und Sängerinnen Muriel Leonie Graf, Jana Rahma und Swetlana Saam.

Karten für "LALA Hurenabend", am heutigen Samstag, 4. April, ab 20 Uhr im Pantheon Casino, Bundeskanzlerplatz 2, gibt es für 19,70, ermäßigt 15,30 Euro in den Bonnticket-Shops der GA-Zweigstellen. Weitere Aufführungen am 14. Mai und 6. Juni.

Zur Person

Michael Barfuß (57) arbeitet als musikalischer Leiter, Regisseur, Komponist und Arrangeur in Bonn. Sein Weg führte ihn unter anderem ans Wiener Burgtheater, ans Züricher Schauspielhaus, an die Theater Münster, Kassel und Oberhausen. In seinen Projekten erzählt er über den Menschen, von dessen Träumen, seinem Scheitern und seinen großen Hoffnungen.

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