WCCB - Die Millionenfalle, Teil VIII Was steckt hinter der ominösen Baukosten-Explosion?
BONN · Besuch bei Richard Andreas Domschke, Geschäftsführer von der Creditreform Bonn Domschke KG. Er leitet einerseits die Bonner Wirtschaftsauskunftei, die die Bonität und Kreditwürdigkeit von Firmen und Personen beurteilt.
Das passt auf einige Fragen im Desaster rund um das World Conference Center Bonn (WCCB). Domschke hat den Fall "SMI Hyundai/WCCB" aus privatem Interesse beobachtet. Oder ist es eher ein Fall "Man Ki Kim"?
Kim ist der Immer-Noch-Geschäftsführer der UN Congress Center Bonn (UNCC). Wer ist er wirklich? Ein psychologisch geschickter Anbahner und cleverer Weichensteller, der in einem perfekt organisierten südkoreanischen Strategie-Team unterwegs ist? Oder war er zunächst ganz allein unterwegs und geriet später in die Fänge seiner Landsleute Young-Ho Hong und Ha-S. C.?
Domschke sagt: "Nach meiner Kenntnis ist Korea ein Land, das wirtschaftlich von wenigen Familien und deren Konzernen regiert wird. Auf koreanisch nennt man diese Firmenkonglomerate Chae- Bol. Dort spielen Beziehungen aufgrund gemeinsamer Schul- und Studienzeiten eine bedeutende Rolle." Inwieweit dieses Beziehungsgeflecht trotz langjähriger Auslandsaufenthalte Kims noch funktioniert, könne man nur schwer einschätzen. Domschke: "Kim erscheint in Bonn wie ein Phönix aus der Asche." Bei genauerer Betrachtung der Unternehmen und Gesellschafter finde sich keine Spur, die über Kim nach Südkorea führe. "Beim Validieren der Daten sind wir regelmäßig an Grenzen gestoßen."
Domschke fragt sich, wie clever die Koreaner andere Institutionen genutzt haben, und er landet dabei auch bei Dr. Ha-S. C.. C., der promovierte Jurist, ist einer der wenigen Koreaner, die in Deutschland als Rechtsanwalt zugelassen sind. Wer hat im koreanischen Netzwerk zum WCCB welche Rolle gespielt?
Während Kim in Bonn den anspruchsvollen Showteil erledigt und sich in die Köpfe und Herzen der Politiker schleicht, hat er mit Michael Thielbeer im Investor-Auswahlverfahren offenbar einen Gewährsmann sitzen, der den vermeintlichen Global Player SMI Hyundai Corporation Ende 2005 unter Hinweis auf dessen angeblichen "Konzernhintergrund" über die Ziellinie zum Projektvertrag tragen wird.
Was ist wann zu tun? Das regelt früh ein penibler Plan. Offenbar lag das koreanische Netz schon lange zuvor über der "fetten Made", gemästet mit Millionen öffentlicher Mittel oder kommunaler Quasi-Bürgschaften für Millionen-Kredite. Und an den Strippen zieht C. im fernen Taunus. Der 46-Jährige ist nicht irgendwer, sondern steht hinter der Kanzlei C. und Zahrt sowie der Janolaw AG: "Willkommen bei Deutschlands führendem Rechtsportal", grüßt die Homepage.
Schon als Student hatte er 1990 die Computersoftware "Terminus" entworfen, die es im Fachverlag C.H. Beck gar zur Schulungsdiskette schaffte. "Terminus" ermöglicht Jura-Studenten, komplexe juristische Sachverhalte in Entscheidungsbäume zu strukturieren, um leichter die zu lösenden Einzelaufgaben zu erkennen. Das Lernen im "Terminus"-Erstellungsprozess dürfte die Fähigkeiten des koreanischen WCCB-Teams weiter verbessert haben, alle Umstände vorteilhaft zu nutzen.
Wer tief schürft, findet eine Pressemitteilung vom 5. April 2006, in der C. wirbt: "Das Mandat für eines der größten städtischen Infrastrukturprojekte in der Bundesrepublik erhalten zu haben, ist für uns eine echte Herausforderung." Und Kim lobt C.: "Für uns ist Janolaw, C. und Zahrt mit seinem interkulturellen Ansatz und seinem umfassenden Beratungsportfolio der ideale Partner."
Vorab: C. wird die Herausforderung meistern. Er leistet alles, was nötig ist, damit Kim und Young Ho Hong (WCCB-Architekt und -Generalübernehmer, zuweilen auch UNCC-Bauherr) im Rechtsstaat Deutschlands legal unterwegs sein können - taktisch, faktisch, listenreich.
C., Kim und Hong müssen sich sehr früh sehr sicher gewesen sein: Als das Investor-Auswahlverfahren noch läuft, baut C. bereits im Juli 2005 das Nest, in das eines Tages die Millionen-Eier gelegt und weiterverteilt werden sollen. Er gründet die UNCC GmbH. Sitz ist Sulzbach, aus nachvollziehbaren Gründen (noch) nicht Bonn. Die UNCC GmbH ist damals noch eine sogenannte Vorratsgesellschaft.
Der weitere Gang der Dinge ist bekannt, in dessen Verlauf das Bonner Zukunftsprojekt WCCB Schritt für Schritt zu einem "Korea-Projekt" wird. Diffus bleibt, warum die Stadt Bonn der offensichtlichen Ausbeutung, insbesondere der Baukosten-Explosion von fast 60 Millionen Euro, bis heute zuschaut oder zuschauen muss. Sie kann offenbar rechtlich kaum anders: Der gewiefte C. hat die Leitplanken im Projektvertrag festgelegt. Keine effektive Kostenkontrolle, nur Informationspflichten, da alles rein privatrechtlich. Mittendrin die Sparkasse, die bis heute 104,3 Millionen Euro Kredit bewilligt hat und dem Vernehmen nach das Baukosten-Controlling an einen externen Fachmann delegieren wollte, was die Stadt aber ablehnte.
Das Fatale an der Konstruktion: Stadt sitzt im Verwaltungsvorstand der Sparkasse, Kredit geht formal an die UNCC GmbH, aber letztlich haftet die Stadt über eine Nebenabrede. Kim und Hong werden das als einen offen stehenden Tresor empfunden haben. Doch für die Baukosten-Explosion von 60 Millionen Euro (der GA berichtete) brauchte man noch einen verlässlichen rechtlichen Hebel. Den hat in einem frühen Stadium wieder C. besorgt. Dazu erfand er das, nennen wir es einmal "das koreanische Hotelzimmer-Zahl-Verwirrspiel". Dessen wichtigste Stationen:
- 21. Dezember 2004: Der WCCB-Entwurf der Münchner Architektinnen Professor Ruth Berktold und Marion Wicher vom Büro "YES architecture" gewinnt den städtebaulichen Wettbewerb. Der YES-Entwurf beinhaltet 185 Hotelzimmer. Kosten: etwa 78,8 bis 82,2 Millionen Euro.
- 14. November 2005: Investor-Auswähler Thielbeer rechnet vor, wie viel ein WCCB mit 185 Hotelzimmern kostet und wie viel mit 352 Zimmern (Gesamtkosten: 139 Millionen Euro). Nebenbei ergibt seine wirtschaftliche Plausibilitätsrechnung, dass SMI Hyundai Corporation die größten Chancen hat, WCCB-Investor zu werden.
- 14. Dezember 2005: Der Rat der Stadt Bonn entscheidet sich für SMI Hyundai und das 352-Zimmer-Konzept (Erweiterung des YES-architecture-Siegerentwurfs) für 139 Millionen Euro.
- 16. Dezember 2005: Im Presseservice meldet die Stadt, dass das koreanische Unternehmen UNCC/ SMI Hyundai das WCCB errichten wird. Es wird unter anderem berichtet: "Bau eines 350-Zimmer-Hotels", Gesamtkosten "140 Millionen Euro", Eröffnungstermin "Anfang 2009".
- 8. März 2006: Unterzeichnung des Projektvertrags zwischen Stadt und SMI Hyundai über den WCCB-Bau in der 139-Millionen- Euro-Variante.
- 14. April 2009: Eine Baukosten-Explosion von rund 60 Millionen Euro wird öffentlich. Architekt Hong und Stadt argumentieren in nicht-öffentlicher Sitzung des Rates mit einem Papier, warum es logisch sei, dass zentraler Kostentreiber die Aufstockung der Hotelzimmer-Zahl (auf aktuell 335) gewesen ist. In dem Rechtfertigungspapier stehen zwei Sätze, die Verwirrung stiften. Erstens: "Die Maßnahme wurde dem Rat im Dezember 2005 mitgeteilt." Das stimmt: 352 Zimmer für 139 Millionen. Aber gemeint ist mit dem Satz wohl eher, dass der Projektvertrag für alle Ratsmitgliedern zur Einsicht auslag. Zweitens: "Im Projektvertrag von 2006 sind 185 Zimmer als Basis angegeben." Das stimmt auch.
Aber was stimmt wirklich? Denn irgendetwas stimmt nicht! Wo ist das "fehlende Glied", das das Rätsel löst?
Die GA-Redaktion hatte in Teil VII der "Millionenfalle" nur die Logik-Lücken im Zahlenwerk von Architekt Hong entlarvt und rätselte, warum die Stadt das duldet. Nochmal und nochmal studieren wir den Projektvertrag, nachdem wir Thielbeers Papier fast auswendig kennen, und stolpern bei Paragraf 26.1.: "UNCC ist verpflichtet, das Bauvorhaben zu planen und zu errichten, wobei das Raumbedarfsprogramm gemäß dem Auslobungstext zum durchgeführten städtebaulichen Wettbewerb vom Juni 2004 als Mindestanforderung und der Entwurf des ersten Preisträgers des Architektenwettbewerbs zu realisieren ist." Kurz: YES architecture, 185 Zimmer (siehe 21. Dezember 2004). Gleichzeitig bleiben die Kosten im Projektvertrag (Paragraf 7.1.) bei 139 Millionen Euro.
Vereinfacht: Jemand bestellt, nachdem alle Verhandlungen abgeschlossen sind, zwei Reihenhäuser für 400 000 Euro - und unterschreibt dann einen Vertrag mit einer "Nebel-Formulierung" (über ein Reihenhaus) für 400 000 Euro. Während dem Bürger aus seinem Rabatt-Alltag "2 für 1" geläufig ist, lautet die koreanische Lösung für die Stadt Bonn "1 für 2".
Wenn diese Interpretation zutrifft (und eine schlüssigere liefert die Stadt Bonn nicht), war es eigentlich ein Taschenspielertrick. Darauf ist die Stadt Bonn, die bei der Baukosten-Erklärung auf dem Papier mit Hong an einem Strang zieht, offenbar hereingefallen. Aber Gezeter zählt nicht: C.s letzter Zug war der entscheidende - jener, der dem Korea-Projekt später Millionen einbringen soll.
Man darf annehmen, dass jener Vertragspartner, der am meisten von einem Vertragstext profitiert, sich bei den zentralen Paragrafen durchgesetzt hat. Wir schrieben: "Asiatische Verhandlungskunst steht für Freundlichkeit und Höflichkeit und Unbeugsamkeit in der Sache." Wie sehr dies gilt, ahnten wir nicht. C., ein Meister der List, hat einen Vertragstext für listenblinde Partner komponiert. Er schrieb nicht 185 Zimmer, was aufgefallen wäre, sondern "verpflichtete" die UNCC, den YES-architecture-Entwurf eins zu eins zu realisieren. Das klang bei oberflächlichem Lesen streng, war jedoch C.s Hebel für Hongs Kostenexplosion.
Von der Listenblindheit zur Sicht des Überlisteten: Mit abendländischer Logik könnte man einen handfesten Betrugsverdacht annehmen. Andererseits ist Vertrag Vertrag, und Hong hat sich dran gehalten. Auch nicht ganz: Von Anfang an hat er nach GA-Informationen für 352 Zimmer geplant, was der Rat ja am 14. Dezember 2005 auch so beschlossen hat. Zugleich wussten Kim, Hong und C. um die maximale Kreditzusage der Sparkasse von 104 Millionen Euro. Diesen Topf galt es offenbar, vollständig zu leeren. Und dies ging nur mit C.s listigem Projektvertrag: 185 Zimmer bauen und für 352 kassieren.
Hong bestreitet diese Version: "Das Thielbeer-Papier kenne ich nicht." Er habe nur das gebaut, was im Projektvertrag stehe. Die Zahl der Zimmer nennt er nicht.
Vermutlich haben die Herren aus Asien minutiöser geplant, als europäische Dritte es sich vorstellen können. Überall haben sie Fallen aufgestellt, wo die Stadt - mit weit reichenden Konsequenzen - hineintappte. Und sie haben Reaktionen richtig abgeschätzt.
Was würde passieren, wenn Kim und Hong der Stadt ihre Vertragsinterpretation mitteilen und den zusätzlichen Millionen-Bedarf für vermeintlich zusätzliche Hotelzimmer? Offenbar hatten sie die Psychologie der anderen, zahlenden Seite richtig studiert. Wer würde ohne Not zugeben, dass er einen Vertrag unterschrieben hat, der nichts anderes aussagt als 185 Zimmer zum Preis für 352? Wer entscheidet sich schon freiwillig für Häme und Spott im kleinkarierten Polit-Alltag? Wer für die öffentliche Blamage?
Wenn es darum geht, das Gesicht zu verlieren, kennen Asiaten sich aus. Immerhin das erscheint kulturübergreifend ein konsensfähiger Albtraum zu sein.
Fortsetzung folgt.