Kommentar Politik in NRW und Rheinland-Pfalz - Vorbild Mainz

Mit dem Silvestertag endet für Nordrhein-Westfalen ein Jahr, in dem wenige Weichen für die Zukunft gestellt worden sind, aber viele Aufgaben darauf warten, angepackt zu werden - vielleicht im neuen Jahr?

Vieles hätte man sicher auch besser machen können. Wo ist im rot-grünen Düsseldorfer Regierungshandeln zum Beispiel die klare Linie, an der Ministerpräsidentin Hannelore Kraft zeigen könnte, wo sie das Land hinführen will?

In vielen Ranglisten steht NRW weiterhin auf hinteren Plätzen. Die Entwicklung der Schulden ist zwar rückläufig, doch im Gegensatz zu vielen anderen Ländern und dem Bund ist die "schwarze Null" noch nicht in Sicht. Selbst aus den eigenen Reihen wird Kraft schon vorgeworfen, keine ambitionierte Aufgabenkritik anzugehen, um den Etat zu durchforsten.

Es war ein Jahr, in dem die Opposition die Landesregierung aber auch mehr in die Enge hätte treiben können. Ein Innenminister, der sich in Sachen Hooligan-Demo und Flüchtlingsheim-Skandalen vergaloppiert, ein Wirtschaftsminister, der kaum Akzente setzt, ein Finanzminister, der schon wieder vor dem Landesverfassungsgericht verliert - es gab schon Zeiten, da hat eine Opposition solche Fehlleistungen mehr ausgenutzt. Überdies drängt sich der Eindruck auf, dass die NRW-CDU mit Armin Laschet an der Spitze auf einen Regierungswechsel noch nicht recht vorbereitet ist.

Wenn sie wissen will, was aus einer Oppositionsrolle heraus möglich ist, braucht sie nur nach Rheinland-Pfalz zu schauen. Klar, der Nürburgring-Skandal, das ist eine andere Dimension. Und dennoch: Kurt Beck so lange zuzusetzen, bis der zurücktritt und dann auch noch die neue Regierungschefin Malu Dreyer zu bewegen, wichtige Stützen ihres Kabinetts und ihrer Fraktion auszuwechseln: Viel mehr kann eine Opposition nun wirklich nicht erreichen.

Doch - und auch hier könnte das Nachbarland zum Vorbild werden - die Ministerpräsidentin der rot-grünen Koalition in Mainz hat aus der Not eine Tugend gemacht. Sie versuchte sich nicht, mit angeschlagenen Ressortchefs durchzuhangeln, sondern tauschte gleich ihren halben Ministerrat aus, brachte neue Gesichter nach vorn und besetzte mit ihnen Themenfelder, auf denen die Opposition noch Nachholbedarf hat, etwa die Entwicklung einer Fachkräftestrategie oder die Verbindung von demografischem Wandel mit der digitalen Revolution.

Es wird spannend zu beobachten, ob die rheinland-pfälzische CDU mit ihrer Chefin Julia Klöckner ihren Vorsprung im Vorwahljahr verteidigen und im Frühjahr 2016 die Chance haben wird, die rot-grüne Koalition abzulösen. In Nordrhein-Westfalen dauert es ein Jahr länger bis zur nächsten Landtagswahl. Zeit, in der sowohl Regierung wie Opposition die Möglichkeit haben, zuzulegen - an zukunftsfähigen Konzepten, aber auch an Personen, mit denen die Bürger diese Inhalte werden verbinden können.

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