Dürrenmatts "Physiker" im Kleinen Theater Heim für die geistig verwirrte Elite

BAD GODESBERG · Das Groteske ist eine der großen Möglichkeiten, genau zu sein", erklärt Friedrich Dürrenmatt in seinen Theaterschriften. Stephanie Jänsch inszeniert sein 1962 uraufgeführtes Schauspiel "Die Physiker" im Kleinen Theater Bad Godesberg einfach genau - im sicheren Vertrauen darauf, dass sich die Aktualität der paradoxen Geschichte auch nach fünfzig Jahren zwangsläufig erweist.

 Die Physiker und das Fräulein Doktor Mathilde.

Die Physiker und das Fräulein Doktor Mathilde.

Foto: Theater

Dürrenmatts bekannte "21 Punkte zu den Physikern" lässt sie als Endlosschleife vom Band laufen, bevor das Spiel beginnt. Eine Leiche gilt es zu entfernen aus dem Salon des privaten Sanatoriums "Les Cerisiers", wo die "geistig verwirrte Elite des halben Abendlandes" relativ komfortabel auf Heilung wartet.

Im separaten alten Villentrakt hausen die berühmten Physiker Newton, Einstein und Möbius. Eine hübsche Mischung aus leicht verlotterter Eleganz und vergitterter Sperrzone ist die Klinik (transparentes Bühnenbild: Frank Joseph), in der die drei pflegeleichten Patienten einen leider etwas mörderischen Umgang mit den Krankenschwestern pflegen.

Weshalb Kriminalinspektor Voß (als leicht enervierter tapferer Gesetzeshüter: Rainer Hannemann) schon mal zur streng verbotenen Zigarette greift, während der schuldunfähige Forscher Ernesti alias Einstein sich beim Geigenspiel von der Tat erholt.

Auf dem Klavier begleitet von Fräulein Doktor Mathilde von Zahnd, mächtige Chefin der Klinik und weltbekannt als Kapazität auf dem Gebiet der Psychiatrie. Die großartige Susanne Tremper gibt dieser merkwürdigen Figur nichts Dämonisches.

Als einziger echt ist Möbius, der sich nicht hinter einem berühmten Namen versteckt, sondern nur den angeblichen Erscheinungen des weisen biblischen Königs Salomo gehorcht. Matthias Schuppli spielt perfekt einen fast schon heiligen Moral-Narren, der bei seiner bitteren Psalmenparodie buchstäblich nach dem Himmel greift und ins Bodenlose fällt.

Ein poetischer Genius, der an seiner eigenen Logik verglüht. Der missionarische Eifer seiner einstigen Gattin (Juliane Ledwoch) und die heftige Liebeswerbung seiner jungen Pflegerin (zwischen professioneller Strenge und hilfloser Erotik: Monika Sobetzko) müssen dran glauben.

Zu den Waffen greifen der Physiker Ernesti, der weder dieser noch sein Irrenhaus-Fantom Einstein ist (herrlich komisch: Fritz Peter Schmidle) und sein Kollege Beutler (brillant: Lorenz Schirren).

Begeisterter Premierenbeifall für die geistreiche, klug verdichtete Aufführung im ausverkauften Kleinen Theater.

Nächste Vorstellungen im Kleinen Theater am 27.9. und 1.10. und vom 4. bis 27.10. fast täglich um 20.00 Uhr. Karten unter Tel. 0228-362839 oder www.kleinestheater-badgodesberg.de

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