Flutkatastrophe im Juli 2021 5100 Notrufe gingen aus dem Kreis Ahrweiler ein

Düsseldorf/Mainz · Die Untersuchungsausschüsse in Mainz und Düsseldorf haben an diesem Freitag über Warnungen vor dem Hochwasser, die Frage der Einsatzleitung und eine Kiesgrube beraten. Ein Überblick zu den wichtigsten Themen.

 Weiter arbeiten zwei Flutausschüsse die Katastrophe des vergangenen Sommeres auf. Hier eine Aufnahme aus Altenahr.

Weiter arbeiten zwei Flutausschüsse die Katastrophe des vergangenen Sommeres auf. Hier eine Aufnahme aus Altenahr.

Foto: dpa/Boris Roessler

Zwei Untersuchungsausschüsse – zahlreiche Themen. Ein Überblick über die Beratungen an diesem Freitag in den beiden Landtagsgremien zur Flutkatastrophe:

Kiesgrube Blessem: NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) wies Vorwürfe zurück, die Behörden seien frühzeitig auf einen unzureichenden Hochwasserschutz hingewiesen worden. Zuvor hatte der WDR über ein Schreiben des Geologischen Dienstes NRW an die Bergbehörde bei der Bezirksregierung Arnsberg aus dem Februar 2021 berichtet, in dem es hieß, es bestünden „starke Bedenken gegen die Standsicherheit des mit Datum 21. Januar 1998 planfestgestellten Aufbaus des Böschungssystems“. Die Standsicherheit sei durch keines der bisher eingereichten Gutachten nachgewiesen worden. Vielmehr seien alle Gutachten lücken- beziehungsweise fehlerhaft, schrieben die Fachleute.

Katwarn-Warnungen: Die Warn-App Nina des Bonner Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) hat während der Flutkatastrophe im Kreis Ahrweiler keinerlei Warnungen verschickt. Das war bereits länger bekannt. Am Freitag wurde in Mainz nun deutlich, warum das so war. „Bei uns gab es einen technischen Fehler, der nicht aufgefallen war“, sagte der Gesamtprojektleiter des Warndienstes Katwarn, Daniel Faust. Normalerweise gebe es eine Kopplung von Katwarn und Nina-Meldungen.

Faust beklagte aber auch fehlende Testmöglichkeiten. Ob Warnungen bei den Nutzern ankämen, könne derzeit nur im Echtbetrieb festgestellt werden. Er machte das BBK dafür verantwortlich. „Dass den Verantwortlichen des BBK schon seit 2017 bekannt ist, dass bei der Warn-App Nina nicht getestet werden kann, ob diese im Katastrophen­fall funktioniert, ist skandalös“, sagte Freie-Wähler-Obmann Stephan Wefelscheid.

Einsatzleitung: Das Land Rheinland-Pfalz kann nach Einschätzung des Heidelberger Juristen Bernd Grzeszick bei Starkregen­ereignissen automatisch für die Einsatzleitung zuständig sein, wenn sich eine größere Lage über mehrere Regionen erstrecke und Ressourcen knapp seien. Es gebe keine rechtliche Grundlage, dass das Land beziehungsweise die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion ADD nur auf Bitte – etwa der Kreise – die Leitung übernehmen könne, sagte der Staatsrechtler. Für die Zuständigkeit müsse nicht zuvor der Katastrophenfall ausgerufen worden sein.

Laut CDU-Obmann Dirk Herber bestätigen Grzeszicks Aussagen die Auffassung seiner Fraktion, wonach das Land mit der ADD in der Nacht die Einsatzleitung innehatte. „Es ging um zentrale Gefahrenabwehrmaßnahmen bei einem überregionalen Großschadensereignis. Damit war die Landesregierung in der Pflicht, sich ein umfassendes Lagebild zu verschaffen und rechtzeitig zu handeln“, erklärte Herber.

Leitstelle Koblenz: Die Integrierte Leitstelle Koblenz hat in der Flutnacht nicht mehr alle Notrufe annehmen können. „Alles andere wäre nicht mehr beherrschbar gewesen“, sagte der damalige Abteilungsleiter Christian Märkert. Allein aus dem Kreis Ahrweiler seien mehr als 5100 Notrufe angenommen worden, sagte die Koblenzer Bürgermeisterin Ulrike Mohrs, die die politische Verantwortung für die Leitstelle trägt. Mehr als 3000 Feuerwehreinsätze seien ausgelöst worden – ein Drittel der gesamten Einsätze eines normalen Jahres.

Es sei nicht Aufgabe der Leitstelle gewesen, Warnmeldungen vor Überschwemmungen auszulösen, sagte Mohrs. „Wenn wir Warnungen ausstoßen, muss auch klar sein, was die Bevölkerung tun soll, sonst kann es mehr schaden.“ In der Leitstelle habe man von drei Katwarn-Meldungen in Ahrweiler gewusst und dass Feuerwehrautos mit Lautsprechern unterwegs waren. „Das war das Mittel der Wahl.“

Meistgelesen
Neueste Artikel
„Die Bedrohungslage ist hoch“
Bundesinnenministerin Nancy Faeser im Gespräch „Die Bedrohungslage ist hoch“
Zum Thema
Aus dem Ressort
Große Fragen
Kommentar zum Landtagswahlkampf und zum "NRW-Check" Große Fragen