Segnung für gleichgeschlechtliche Paare Eine Frage der Liebe

Analyse | Düsseldorf · In mehr als 100 katholischen Gottesdiensten bundesweit sind gleichgeschlechtliche Paare gesegnet worden. Gläubige und Seelsorger antworten mit ihrer Aktion „Liebe gewinnt“ auf das jüngste Veto aus Rom.

 Der 10. Mai ist mit Bedacht gewählt: Er ist einer von neun Gedenktagen des Noah, des biblischen Stammvaters aller Generationen.

Der 10. Mai ist mit Bedacht gewählt: Er ist einer von neun Gedenktagen des Noah, des biblischen Stammvaters aller Generationen.

Foto: dpa/Felix Hörhager

„Liebe ist Liebe“, heißt die Segensbotschaft des Jugendgottesdienstes. Online wird sie von Wohnung zu Wohnung weitergereicht, es wird aus dem Johannesevangelium vorgelesen, und später haben alle Teilnehmer noch die Chance, von ihrem Computer aus Fürbitten auf eine Seite in Regenbogenfarben zu schreiben. Es sind Fürbitten wie diese: „Für alle, denen die Entscheidung der Kirche wie ein Schlag in das Gesicht vorkam.“

Die Wattenscheider Jugendinitiative „Ideenreich“ hatte ihren Segnungsgottesdienst für gleichgeschlechtliche Paare schon vor dem eigentlichen Stichtag gefeiert – also dem 10. Mai, an dem in mehr als 110 katholischen Gottesdiensten homosexuelle Paare gesegnet werden oder ihre Segnung gefordert wird. Mit „Liebe gewinnt“ ist der Aktionstag überschrieben, der von wenigen Katholiken angestoßen wurde, schnell große Verbreitung fand und im gleichnamigen Lied von Brings so etwas wie seine Hymne fand. Auch im Wattenscheider Jugendgottesdienst wird der Song mit dem Musikvideo gespielt: „Dass’n Wunder passiert / Und wir endlich kapier‘n / Dass wir alle gleich sind / Und nur die Liebe gewinnt“, heißt es im Refrain der kölschen Band.

Kirche darf sündige Menschen segnen

Der 10. Mai ist mit Bedacht gewählt: Er ist einer von neun Gedenktagen des Noah, des biblischen Stammvaters aller Generationen. Nach der Sintflut sendete Gott ihm einen Regenbogen als Zeichen seines neuen Bundes mit den Menschen. Und jetzt sind es Regenbogen-Flaggen, die von vielen Kirchtürmen wehen – und die dennoch kein Zeichen von Gemeinsamkeit sind. Denn „Liebe gewinnt“ ist – vorsichtig gesprochen – eine Art trotzige Antwort auf das römische Veto von Mitte März dieses Jahres. Darin hatte die Glaubenskongregation erklärt, dass die Kirche zwar sündige Menschen segnen dürfe, nicht aber die ihrer Ansicht nach sündigen homosexuellen Beziehungen.

Wobei der Kirchenrechtler Gero Weishaupt sogleich vermeintlich schwerstes theologisches Geschütz gegen die deutschen Widerspenstigen auffuhr und erklärte, dass sich Bischöfe, die dieses päpstliche Verbot schlichtweg ignorierten, die Exkommunikation als Strafe zuziehen würden. Wohingegen der Münsteraner Kirchenrechtler Thomas Schüller Entwarnung gab: Solche drakonischen Strafen drohten nicht, erklärte er, da das Papier lediglich die Antwort auf eine Anfrage sei und somit keineswegs den Rang eines lehramtlichen Dokuments habe.

Kirche müsse sich aus ihrer Vormoderne herausbewegen

Der Disput scheint in vielen Gemeinden – bei Laien und Geistlichen – längst entschieden zu sein. „Wer sind wir, dass wir uns gestatten, zu sagen, dass dies keine eheähnliche Beziehung sei, die auf denselben Fundamenten ruht wie andere Beziehungen auch?“, sagte Karin Kortmann, die Vizepräsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, unserer Redaktion. „Auf Liebe, Fürsorge, Vertrauen, Verlässlichkeit und dem Versprechen, bis zum Ende des Lebens gemeinsam unterwegs zu sein? Wer ermächtigt uns, dass wir diesen Menschen den Segen nicht geben?“ Und nach ihren Worten werden auch mit diesen Fragen wichtige Weichen für die Zukunft gestellt: „Wenn wir darauf keine vernünftige Antwort geben können, werden wir als Kirche nicht mehr wahrgenommen.“

Jüngst veranstaltete das Bistum Essen eine theologische Fachtagung zum Thema. Im Mittelpunkt aber stand nicht die Frage, ob die Kirche Segensfeiern für homosexuelle Paare gestalten könne, sondern allein wie. Der Tenor: Die Kirche müsse sich aus ihrer Vormoderne herausbewegen und der Gegenwart stellen. In Planung seien auch darum eine Handreichung mit Argumenten und ein Ablaufplan für künftige Segensfeiern.

Je offizieller es wird, desto zurückhaltender die Kommentare

Zwischen den Stühlen scheinen derzeit die deutschen Bischöfe zu sitzen: Etliche dulden zwar die Segnungsgottesdienste – wie Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck –, andere nehmen sie zum Anlass, die katholische Sexualmoral wenigstens zu hinterfragen, so der Aachener Bischof Helmut Dieser. Zusammen mit Birgit Mock vom katholischen Frauenbund leitet Dieser das entsprechende Forum beim Synodalen Weg, das unter dem behutsamen Titel „Leben in gelingenden Beziehungen – Liebe leben in Sexualität und Partnerschaft“ firmiert. Überhaupt: Je offizieller es wird, desto zurückhaltender die Kommentare. Bischof Georg Bätzing, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz und Reformideen ansonsten nicht abgeneigt, sieht in den „eigenmächtigen“ Segnungsfeiern „kein hilfreiches Zeichen“ für den Reformprozess insgesamt.

Das wird zur Kenntnis genommen. An der Haltung von Gläubigen und Seelsorgern gegenüber dem Veto aus dem Vatikan ändert es aber nichts. Bei der Segensfeier in Wattenscheid stellen sich die Jugendlichen auch die Frage, ob man nicht einfach alles hinschmeißen solle. Ihre Antwort: Nichts werde sich in der Kirche ändern, wenn alle gingen. Und außerdem sei „die Kirche mehr als alte Männer aus Rom, die merkwürdige Entscheidungen treffen“.

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