Den Heimatforschern stockte der Atem

Ein Fritzdorfer Bauer macht vor 50 Jahren einen spektakulären Fund auf seinem Acker - Der Goldbecher gehört heute zu den bedeutendsten Exponaten im Rheinischen Landesmuseum

  Der Fritzdorfer  Becher besteht aus 230 Gramm hochkarätigem Gold.

Der Fritzdorfer Becher besteht aus 230 Gramm hochkarätigem Gold.

Foto: Friese

Wachtberg-Fritzdorf. Vor 50 Jahren, in den letzten Apriltagen des Jahres 1954 wurde ein sensationeller Goldfund aus Fritzdorf gemeldet, und der Name des bisher kaum bekannten Ortes in Wachtberg war plötzlich in aller Munde. Tatsächlich aber lag das Aufsehen erregende Ereignis schon fast ein halbes Jahr zurück und wäre vielleicht noch lange nicht bekannt geworden, hätte nicht der Landwirt Heinrich Sonntag einen heimatgeschichtlichen Vortrag des Volksbildungswerks Fritzdorf besucht.

Dabei wurden vor- und frühgeschichtliche Gefäße gezeigt, und Sonntag ließ so ganz nebenher verlauten, so etwas habe er auch schon gefunden auf seinem Acker.

Da horchten die Heimatforscher Rektor Josef Dietz aus Bonn, Nobert Zerlett aus Bornheim und der Hauptlehrer Niesen aus Fritzdorf auf und baten Heinrich Sonntag, das Fundstück auf der Stelle zu holen.

Der Fund erwies sich schon auf den ersten Blick als spektakulär: ein bauchiger Becher, zwölfeinhalb Zentimeter hoch, zwölf Zentimeter im Durchmesser, mit leicht geriffeltem Henkel, nicht wie bisher schon zu Tage gekommene Gefäße aus Ton, sondern aus einem glänzenden Metall.

Sonntag berichtete, er habe eine Rübenmiete auf seinem Acker "Auf der Scheid", der Wasserscheide zwischen Ahr und Swistbach, anlegen wollen - und sei in Tiefe von 50 Zentimetern auf den Becher gestoßen. Der habe in einem Tongefäß gesteckt, das allerdings durch den Spatenstich zerbrochen sei.

Den Becher habe er mit nach Hause genommen, gereinigt und auf den Küchenschrank als Zierstück gestellt. Den Heimatforschern stockte der Atem. Der Becher, das erkannten sie gleich, glich mykenischen Funden, mit denen einst der große Archäologe Heinrich Schliemann die Welt überrascht hatte.

Ein Juwelier aus Meckenheim stellte den Becher auf die Waage und bestätigte, dass er aus 230 Gramm hochkarätigem Gold bestünde. Der Fritzdorfer Hauptlehrer brachte den kostbaren Fund zum Landesmuseum, wo die Wissenschaftler Rafael von Uslar und Adolf Herrnbrodt ihn zu Gesicht bekamen.

Die beiden Gelehrten wollten den Becher zu weiterer Untersuchung im Museum behalten. Aber der Finder war damit nicht einverstanden. So kamen von Uslar und Herrnbrodt nach Fritzdorf und sahen sich die Grabungsstätte an, in der Erwartung auf mögliche weitere Funde. Allein es waren nur die Scherben eines Tongefäßes vorhanden, in dem der Becher versteckt gewesen war.

Das Landesmuseum erwarb den Goldbecher, wobei der Goldwert, der Seltenheitswert und der Kunstwert berücksichtigt werden mussten, sodass der glückliche Finder seinen Grundbesitz beträchtlich erweitern konnte.

Im Landesmuseum schrieb man dem Goldfund eine solche Bedeutung zu, dass auch wegen damaliger berühmter Funde zur rheinischen Vor- und Frühgeschichte, zu denen auch eine Goldscheibenfibel gehörte, der längst geplante Neubau genehmigt wurde. Aber noch war Warten angesagt. Er ist bekanntlich erst in diesen Tagen vollendet worden.

Der Goldfund von Fritzdorf brachte die Wissenschaft in Bewegung. Der Becher, der vermutlich über einer Holzform aus einem Stück getrieben ist, wurde mit einem ähnlichen Fund in Cornwall verglichen. Die Frage blieb, ob es sich um ein Kultgefäß oder um Beigabe zu einer Bestattung handelt. Insgesamt waren damals schon 69 Goldfunde bekannt, der nächste aus Waldalgesheim bei Bingen.

Der kostbare Becher von Fritzdorf wurde auf ein Alter von 3 500 Jahren und damals auf eine Formverwandtschaft mit dem mykenischen Kulturkreis geschätzt. Orientalische und griechische Händler sind bekanntlich schon früh in das Land nördlich der Alpen vorgedrungen, und Fritzdorf liegt im Bereich vorgeschichtlicher Straßen, sodass der Becher auf diesem Wege hierher gekommen sein kann. Er gehört heute zu den bedeutendsten Exponaten des Rheinischen Landesmuseums und zu den spektakulärsten prähistorischen Funden im Rheinland.

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