Ärztinnen glaubten Annas Pflegemutter

Bad Honnef/Bonn · Schamlos ausgenutzt hat Annas Pflegemutter anscheinend das Vertrauensverhältnis zu zwei Medizinerinnen, die am Dienstag gehört wurden.

Schamlos ausgenutzt hat Annas Pflegemutter anscheinend das Vertrauensverhältnis zu zwei Medizinerinnen. In der Neuauflage des Prozesses gegen die aus Bad Honnef kommenden Pflegeeltern - die sich für den Tod des neunjährigen Mädchens in der Badewanne und eine Vielzahl vorausgegangener Misshandlungen vor dem Landgericht verantworten müssen - mussten am Dienstag die 60 Jahre alte Kindertherapeutin und die 59 Jahre alte Hausärztin der Familie erneut als Zeugen gehört werden.

Die Therapeutin kannte die Familie nach eigenen Angaben, seitdem sie den leiblichen Sohn der 52-jährigen Angeklagten nach dem Tod dessen großen, behinderten Bruders behandelt hatte. Schon damals, im Jahr 2003, als Anna noch bei ihrer leiblichen Mutter war, sei ihr Eindruck gewesen, dass die Pflegemutter in der Familie "das Zepter führt".

Und obwohl die Therapeutin eine zumindest teilstationäre Therapie in einer Tagesklinik für angebracht hielt, ließ sie sich offenbar durch die Pflegemutter dazu bewegen, Anna zu behandeln. Aufgrund der Schilderungen der 52-Jährigen hatte die Zeugin dieser ein Attest darüber ausgestellt, dass Anna sich selbst verletze. Die Ärztin räumte ein: "Es beruhte praktisch nur auf den Angaben der Pflegemutter. Ich habe es einfach so geglaubt."

Heute macht sie sich Vorwürfe. Seit dem Tod des Mädchens am Abend des 22. Juli 2010 hat sich die Medizinerin nach eigenen Angaben gefragt, wo sie etwas "übersehen und total falsch" gemacht habe. Mehrfach habe sie Anna in den insgesamt 20 Sitzungen zwischen März 2009 und Juni 2010 gefragt, ob sie ihr etwas sagen wolle. "Aber gekommen ist da nichts", so die 60-Jährige.

Sehr deutlich wurde durch die Aussage der Therapeutin, welche Lügenkonstrukte die Angeklagte offenbar in den letzten Jahren rund um Anna aufgebaut hatte: Anna bekomme von der Medizinerin Beruhigungsmittel, sie habe drei Mal die Woche Therapiesitzungen und es sei mit der 60-jährigen Therapeutin abgesprochen, dass Anna in der Schule drei Brote essen müsse erzählte sie anderen - alles offenbar erfunden.

Auch die 59 Jahre alte Hausärztin bestätigte die Berichte ihrer Kollegin, dass Annas Ernährungszustand völlig normal gewesen sei. Die Hausärztin hatte auf Bitten der Pflegemutter eine Wasserphobie und die Tendenz zur Selbstverletzung attestiert.

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