Gedenken an Auschwitz Literarische Botschaften aus der Todeszelle in Berlin-Moabit
BAD HONNEF · Am Gedenktag für die Opfer der NS-Zeit findet in Bad Honnef eine lyrische Lesung mit Texten von Albrecht Haushofer und Mussa Dshalil statt.
Auschwitz-Birkenau wurde am 27. Januar 1945 von der Roten Armee befreit. 1996 proklamierte der damalige Bundespräsident Roman Herzog diesen Tag zum gesetzlichen Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus in Deutschland. „Die Erinnerung darf nicht enden“, sagte er damals. Und während die Gedenkstätte Yad Vashem auf den Tag 43 Jahre danach eine Online-Ausstellung mit „letzten Briefen aus dem Holocaust“ freigeschaltet hat, waren im Gemeindezentrum der Evangelischen Kirchengemeinde Bad Honnef „Lyrische Botschaften aus dem NS-Gefängnis Berlin-Moabit“ unter dem Motto „Wäre ich frei“ zu hören. Eingeladen hatte der Verein Literatur im Siebengebirge.
Der Dollendorfer Lyrik-Performer Dieter Faring berichtete an diesem von ihm konzipierten Gedenkabend über Albrecht Haushofer und Mussa Dshalil, deren letzte Zeilen als „Moabiter Sonette“ und „Moabiter Hefte“ bekannt geworden sind. In der Nacht auf den 23. April 1945 hatte die Gestapo den 43-jährigen Haushofer mit anderen Gefangenen aus Moabit auf einem Trümmergrundstück erschossen, berichtete Faring, der an diesem Tag geboren wurde. Als ihm das Buch mit Haushofers Sonetten geschenkt wurde, hatte er die Idee, die erschütternden Zeilen mit einem Lyrik-Abend zu würdigen.
Mit Regimekritikern in Verbindung
Haushofer stand ab Mitte der 1930er Jahre mit Regimekritikern in Verbindung und hatte zunächst gehofft, den Kurs der deutschen Außenpolitik als freier Mitarbeiter der Dienststelle Ribbentrop beeinflussen zu können. Nach dem Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 wurde der gebürtige Bayer im Dezember verhaftet und im Zellengefängnis Lehrter Straße in Moabit inhaftiert. Sein Bruder Heinz Haushofer fand später in der Manteltasche des Toten fünf Blätter mit 80 Sonetten.
Unter den vorgetragenen Texten war auch das Zitat, das im Geschichtspark Moabit zu lesen ist: „Von allem Leid, das diesen Bau erfüllt, ist unter Mauerwerk und Eisengittern ein Hauch lebendig, ein geheimes Zittern.“ Oder: „Wie gerne möchte ich bei den Spatzen sein …“ Während Haushofers früheres literarisches Schaffen weniger bekannt war, wurde der Dichter Mussa Dshalil 1940 mit 34 Jahren Vorsitzender des Tatarischen Schriftstellerverbandes. Der Politoffizier der Roten Armee geriet 1942 in deutsche Gefangenschaft und wurde in eine Legion gesteckt, die für die deutsche Armee kämpfen sollte.
Wegen Sabotage wurde er im August 1943 verhaftet und im Februar 1944 mit zehn weiteren Tataren zum Tode verurteilt. Am 25. August 1944 wurden sie in Plötzensee ermordet. Auch aus Dshalils in Moabit hinterlassenen Gedichten las Faring vor. Dazwischen beeindruckte Konzertsängerin Yulia Parnes mit eindrucksvoller Stimme. Sie sang „Wenn ich ein Vöglein wäre“ und auch russische Lieder wie „Kraniche“, „Bajuschka“ oder „Katjuscha“. Pianistin Maria Streltsova spielte klassische Musik.