Auswanderer kehren nach Königswinter zurück Ernüchterung im Traumland Türkei

Bennerscheid · Dort leben, wo andere Urlaub machen. Davon träumen viele Auswanderer, die in eine neue Heimat aufbrechen.

 Erinnerungen an eine schöne Zeit: Reinhard Dahm mit Mitbringseln aus dem türkischen Kemer.

Erinnerungen an eine schöne Zeit: Reinhard Dahm mit Mitbringseln aus dem türkischen Kemer.

Foto: Frank Homann

Auch Reinhard und Marion Dahm sind von Bennerscheid in das 3.100 Kilometer entfernte Kemer an der Türkischen Riviera gezogen. Ihr Auswanderertraum hat allerdings nur sechs Jahre gedauert – mittlerweile sind sie wieder ins Siebengebirge zurückgekehrt.

Ein Rückblick: 2009 beginnt das Abenteuer Neuanfang. Marion und Reinhard Dahm verkaufen ihr Haus in Königswinter und mieten eine Wohnung in dem türkischen Badeort Kemer. Einer Stadt mit ähnlich vielen Einwohnern wie Königswinter. Mehr als 15 Jahre verbrachten die Senioren ihre Urlaub in der Region, bevor sie beschlossen, auszuwandern.

In ihrer neuen Heimat engagieren sie sich ehrenamtlich in der türkischen Gemeinde, nehmen an Sprachkursen teil und vernetzen sich mit den rund 50 Deutschen, die in der Region Kemer leben. „Es war sehr schön. Es war eine tolle Zeit. Wir sind mit offenen Armen empfangen worden. Es sind uns keine Steine in den Weg gelegt worden.“

Einen ganzen Ordner hat Dahm mit Erinnerungsstücken aus der Zeit angefüllt. Wanderkarten, die er für das Touristenzentrum ausgearbeitet hat. Briefe und Dankesschreiben. Als ein Schüleraustausch zwischen der Anadoplu-Lisesi-Schule in Kemer und der Karl-Dehm-Mittelschule in Schwabach anstand, organisierte Dahm die Unterkunft und einen Bootsausflug für die Schüler aus Mittelfranken.

Vorsichtig zieht der 69-Jährige einen Stapel Kinderzeichnungen aus seiner Sammlung hervor. Die Bilder zeigen, was Schüler von der Verschmutzung an den Stränden halten – es sind die Ergebnisse eines Umweltprojektes, welches er an der Schule geleitet hat. Dann holt der Königswinterer einen besonderen Schatz hervor: kunstvoll verzierte Teller und goldene Trophäen vom Granatapfelfest. Im Rahmen der Feier tanzten die 68-Jährige und der 69-Jährige nämlich vor 3.000 Zuschauern – das war für die ehemaligen Turniertänzer eine große Ehre.

Freunde sind plötzlich distanzierter

Allerdings verdunkeln sich die Wolken über dem Urlaubsparadies. „Ab 2012 hat sich die Situation gravierend geändert“, sagt Reinhard Dahm. Das Ehepaar nimmt in seiner direkten Nachbarschaft Veränderungen wahr. Nach und nach seien einige ihrer türkischen Freunde „versetzt“ worden. Manche seien distanzierter geworden. Eine offene Thematisierung sei hingegen nicht möglich gewesen. Auch auf der bürokratischen Ebene fallen Änderungen auf.

Plötzlich müssen die Dahms 600 Dollar Einkommen im Monat vorweisen, 1.200 Dollar als Ehepaar, später auch eine Krankenversicherung belegen können. Nach und nach sei sei auch die ehrenamtliche Arbeit immer schwieriger geworden. „Das Lockere auf den Straßen war komplett raus“, sagt Dahm.

Anfang 2015 werden bei dem Paar erste Zweifel an ihrer Zukunft in der Türkei laut. Ausschlaggebend für die Rückwanderung war der Besuch der Enkelkinder, die jedes Jahr für fünf Wochen zu Besuch kamen. Das Heimweh und die Sehnsucht nach der Familie waren am Ende einfach zu groß. Im September letzten Jahres sind Marion und Reinhard wieder zurück nach Bennerscheid gezogen. Das Tanztraining haben sie hier wieder aufgenommen. Mit ihrer Rückwanderung sind sie jedoch nicht die einzigen – auch ein befreundetes Ehepaar ist von der Türkei zurück nach Worms gewandert.

„Das schöne Wetter, nicht das heiße Wetter“, sagt Dahm auf die Frage, was er an der Türkei vermisst. Und setzt hinzu: „Das Meer. Und die türkischen Freunde.“

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