Oberpleis Villa Meurer an der Siegburger Straße wurde saniert

OBERPLEIS · Haus mit Ohren! Und die Dinger bleiben dran! "Die sind doch lustig. Es würde uns etwas fehlen, wenn die Ohren abgeschnitten würden", sagt Sophia Michnia. Sie bewohnt mit ihrer Familie die Villa Meurer. Eigentlich wollte Eigentümer Werner Dahm bei der nächsten Dachsanierung den Ohren an den Kragen.

 Freuen sich über ihre schöne Villa: Rochus, Sophia und Anna Michnia.

Freuen sich über ihre schöne Villa: Rochus, Sophia und Anna Michnia.

Foto: Frank Homann

Die Intervention seiner Mieter hat gefruchtet. Es gab zudem frische Farbe auf die Ohrmuscheln. Alte Fotos zeigen sie mit aufgemalten Schnecken; dabei ähnelten sie den Voluten, wie sie in der Renaissance aufkamen. Und dieser Zustand wurde gerade wieder hergestellt. Im Originalbauplan von Architekt Fritz Becker aus dem Jahr 1928 fehlen die "Löffel" allerdings. Wer dann die grandiose Idee hatte, dem damals modernen Gebäude im Art-déco-Stil ein historisches Element zu verpassen, ist unbekannt. Werner Dahm meint verschmitzt: "Es lebe der Blödsinn!"

Jedenfalls sind die Ohren an den Dachfenstern die einzigen runden Details am Haus. Ansonsten vereinen sich hier Kubismus, Futurismus und Expressionismus wie für Art déco typisch und auch Elemente des Bauhausstils: Eckfenster und unsymmetrisch angesetzte Kuben mit Flachdach oder Dachbalkon, auch vorspringende Klinker in den Ecken sind zu entdecken. Werner Dahm nennt seine Villa gern eine "Großskulptur".

Der Uthweiler hatte sich vor beinahe 20 Jahren in die leerstehende Immobilie verliebt. Sie war nahezu "eingewachsen", nur der obere Bereich ragte über Bäumen heraus. Aber was Werner Dahm da sah, gefiel ihm ungemein. "Ich schaue besser nicht hin", sagte er damals zu seiner Frau Beate. Diesen Vorsatz wischte er jedoch beiseite. Er kaufte und renovierte.

Als Rochus und Sophia Michnia die frei werdende Villa entdeckten, waren auch sie sofort angetan von dem Schmuckstück. Die beiden sind Diplom-Restauratoren. "Man spürt die Liebe zu der alten Substanz. Es ist toll, wie sich das Ehepaar Dahm um dieses Gebäude kümmert", so Rochus Michnia. Bemerkenswert: Der Dachstuhl ist bis heute ohne Holzwurm - verwendet wurde auf dem Rhein geflößtes Holz, das als schädlingsresistent galt.

Die Villa hat die Elemente seiner Zeit: etwa eine gusseiserne Heizung, englische Fenster zum Hochziehen, abgestufte Türzargen, Türdrücker im Jugendstil, Türen mit Eisglas, das Treppengeländer mit glatten Flächen, Drehschalter oder die Kacheln mit Borde in der Küche. Werner Dahm: "Hier war nichts kaputtsaniert. Das Haus ist innen und außen im Original."

Noch einen zweiten Wunsch hatten seine neuen Mieter: Die Michnias wollten gern die Tapeten gegen reinen Kalk austauschen. Denn: Sie bevorzugen dieses Material, das in der dekorativen Wandgestaltung viele Möglichkeiten eröffnet. Die Ideen haben sie selbst und den Kalk auch, denn die beiden betreiben eine Manufaktur für hochwertige Kalkprodukte. An den Wänden haben sie nur Originalbilder, denn die Väter von Sophia und Rochus sind Künstler.

Das hat sich wohl vererbt. Die junge Frau gibt in der Villa Mal- und Töpferunterricht für Kinder, und auch Töchterchen Anna kann schon hübsche Bilder präsentieren. Dieser Aufgabe kann Sophia Michnia gut nachgehen. Die Zimmer sind, wie bei Art déco üblich, zweckmäßig angeordnet.

Die Villa Meurer war nicht nur Wohnhaus, sondern später auch Pension. Und für diese Verwendung bewährte sich eine Installation, die der Bauherr zu schätzen wusste. Zu Beginn lebte hier Jean Meurer mit seiner ledigen Schwester Gretchen. Mit seinem Bruder Hermann hatte er das Gebäude errichtet. Gemeinsam betrieben sie einen Landhandel am Bahnhof.

1919 hatten sie das Geschäft gegründet. Und offensichtlich warf es soviel ab, dass ein herrschaftlicher Besitz erschwinglich war. Per Klingelknopf konnten die Meurers aus jedem Raum Personal herbeirufen. Dabei klappte in der Küche durch einen elektromagnetischen Trick sogar ein Schildchen mit der entsprechenden Zimmernummer herunter.

1958 erwarb Maria Oehring von Jean Meurers Sohn das Anwesen und wandelte es in eine Pension um. "Bella Isola Oehring" war bald das Motto eines Karnevalswagens - darauf das Haus mit Sommerfrischlern unter Palmen, umgeben von einem Kreisverkehr. So wohl wie auf einer Insel fühlen sich auch die Michnias in ihrer Villa mit Ohren.

Steckbrief

Objekt: Villa Meurer an der Siegburger Straße

Baujahr: 1928

Baustil: Art déco

Größe: 180 Quadratmeter

Früher: zeitweise Pension

Heute: Wohnhaus

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