Dank an ehrenamtliche Dolmetscher Ein Stück Heimat schenken

Siegburg · Als der erste Bus am 24. August vor der Notunterkunft im Siegburger Schulzentrum Neuenhof vorfuhr, wusste niemand so recht, wie er sich nun verhalten sollte. "Die Flüchtlinge saßen im Bus und blickten hinaus, wir standen draußen und blickten hinein", erinnert sich Bürgermeister Franz Huhn.

 Eine goldene Karte für ehrenamtliche Helfer: Joulet Zado Zharo (von links), Helena Anders, Kujtim Fehri Ajvaz, Birgit Binte-Wingen, Franz Huhn, Mutawakil Sayhoon und Azad Haj Abdo.

Eine goldene Karte für ehrenamtliche Helfer: Joulet Zado Zharo (von links), Helena Anders, Kujtim Fehri Ajvaz, Birgit Binte-Wingen, Franz Huhn, Mutawakil Sayhoon und Azad Haj Abdo.

Foto: Nadine Quadt

Schließlich habe Mutawakil Sayhoon sich ein Herz gefasst, sei zusammen mit ihm in den Bus gestiegen und habe seine Worte für die Neuankömmlinge übersetzt.

Wie Sayhoon sind Helena Anders, Joulet Zado Zharo, Azad Haj Abdo und Kujtim Fehri Ajvaz seit jenem Tag beinahe rund um die Uhr in den Flüchtlingsunterkünften als Dolmetscher im Einsatz, ehrenamtlich. Dafür dankte die Stadt ihnen nun zum Tag des Ehrenamtes mit der Siegburger Ehrenamtskarte.

Dafür setzte die Kreisstadt sich gar über die Bedingungen hinweg, an die das Land NRW seine Förderung für Ehrenamtliche eigentlich knüpft. "Die Geehrten müssen sich seit zwei Jahren mindestens fünf Stunden die Woche ehrenamtlich engagieren", erklärt Birgit Binte-Wingen von der Freiwilligen-Agentur der Diakonie Rhein-Sieg.

Dass nun fünf Menschen in den Genuss der Vergünstigungen kommen, die sich erst seit ein paar Monaten äußerst intensiv einsetzen, begrüßt sie. "Das ehrenamtliche Engagement in der Flüchtlingshilfe ist riesig", sagt Binte-Wingen. Sie habe in 13 Jahren Freiwilligen-Agentur noch nie erlebt, dass sich so viele Menschen auf den Weg gemacht haben, um zu helfen.

"Die wahren Helden der Nation"

Stellvertretend für all diese Ehrenamtler - "die wahren Helden der Nation", so Huhn - hat der Ausschuss für kommunale Gesellschaftspolitik die fünf Dolmetscher für die 2012 eingeführte jährliche Ehrung ausgewählt. "Die Sprache ist das einzige, das Flüchtlingen von ihrer Heimat geblieben ist", sagt der Bürgermeister.

"Sie schenken ihnen diese Vertautheit und erleichtern so die Arbeit in den Unterkünften." Und das nicht nur an einem Abend, sondern kontinuierlich. Bei allen Wehwehchen seien sie zur Stelle gewesen. "Wir brauchen Sie auch weiter", betonte Franz Huhn.

Azad Haj Abdo hat nicht lange überlegen müssen. Als er von der Ankunft der Flüchtlinge am Neuenhof hörte, hat er seinen Crêpe-Stand an der Kaiserstraße kurzerhand geschlossen, um zu helfen. Eine Woche lang hat der Syrer, der seit 2003 in Deutschland lebt, in der Unterkunft übersetzt, statt Crêpes zu verkaufen. Und der 37-Jährige macht weiter.

Helena Anders erfuhr über ihre Tochter, dass die Stadt Dolmetscher sucht. Die 41-Jährige, die 1988 mit ihrer Familie aus Sibirien nach Deutschland kam, meldete sich - und übersetzt seither russisch. Nicht nur das, die Mutter von fünf Kindern begleitet Flüchtlinge beim Einkaufen und bei Arztbesuchen. Sie versteht auch bulgarisch und polnisch. Und über ihren ehrenamtlichen Einsatz ist die Freundschaft zu einer Flüchtlingsfamilie gewachsen.

Kujtim Fehri Ajvaz lebt seit zehn Monaten in Deutschland. Er ist selbst aus dem Kosovo geflohen - und möchte nun anderen vermitteln, wie wichtig es ist, die Sprache zu lernen und sich mit den Bräuchen des neuen Landes vertraut zu machen. "Ich mag das Rheinland", verrät der 42-jährige Vater zweier Kinder. Daher möchte er neben Deutsch auch "Kölsch" lernen. Auch wenn das eine sehr große Herausforderung sei.

Für Joulet Zado Zharo ist ihr Engagement selbstverständlich. Die Syrerin weiß, wie schwer es ist, die deutsche Sprache zu lernen. Vor 15 Jahren hat sie selbst damit begonnen. Seit 2007 lebt die 37-Jährige mit ihren drei Kindern in Siegburg. Für ihre Landsleute ist sie immer da, immer erreichbar: "Ich möchte ihnen ein Vorbild sein."

Mutawakil Sayhoon ist unermüdlich im Einsatz. Sein Sprachschatz macht ihn für die Stadt unersetzlich, weswegen die ihn inzwischen zu ihrem Mitarbeiter gemacht hat. Neben seiner persischen Muttersprache spricht der 42-Jährige Paschtu und kann für 24 arabische Staaten dolmetschen. Warum setzt sich der fünffache Vater, der seit 2001 in Bonn lebt, so für andere ein? "Ich habe selbst Krieg in Afghanistan miterlebt und weiß, wie sich die Menschen fühlen".

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