Interview mit Peter Busmann "Etwas Lebendiges sollte man nicht umbringen"

SIEGBURG · Der renommierte Kölner Architekt Peter Busmann (80) hat vor mehr als 50 Jahren das Siegburger Rathaus entworfen, das 1968 bezogen wurde. Die derzeit wieder aktuelle Diskussion darüber, ob das Gebäude saniert oder abgerissen werden soll, verfolgt er aufmerksam - denn bei einer Sanierung müsste er aus urheberrechtlichen Gründen mit einbezogen werden. Mit Busmann sprach Anna Maria Beekes.

 Die Fassade des Rathauses ist deutlich in die Jahre gekommen.

Die Fassade des Rathauses ist deutlich in die Jahre gekommen.

Foto: Holger Arndt

Sie haben sich Anfang der 1960er Jahre mit Ihrem Entwurf für das Siegburger Rathaus gegen viele andere Architekten durchgesetzt. Wie haben Sie sich von den anderen abgesetzt?
Peter Busmann: Fast alle anderen Architekten hatten ein Hochhaus entworfen - und das, obwohl das Grundstück gar nicht klein war, das ging ja bis zum Markt. Ich habe dagegen im Grunde einfach die fünfgeschossige Bebauung hinter dem Krankenhaus verlängert und musste dadurch nicht mehr in die Höhe bauen. Viel entscheidender aber war meine Idee, in Siegburg eine Platzbildung nach italienischem Vorbild zu schaffen.

Können Sie das genauer erläutern?
Busmann: In vielen italienischen Städten finden Sie neben einem großen Platz immer auch einen kleinen - Piazza und Piazzetta. Genauso hatte ich es für Siegburg vorgesehen: Durch einen schmalen Durchgang, wie etwa in Verona, wäre man vom Marktplatz aus auf den kleineren Platz mit dem parallel zum Markt gebauten Rathaus gekommen. Das wäre gelungener Städtebau gewesen.

Aber es kam anders?
Busmann: Noch während der Bauarbeiten hat die Stadt Siegburg das Grundstück neben dem Schützenhaus, das ich absichtlich freigelassen hatte, obwohl es in der Ausschreibung mit enthalten war, verkauft. Mein Geschenk an die Stadt wurde mit Füßen getreten. Das, was dort entstanden ist, kann ich nur als hundsordinäre, triviale Bebauung bezeichnen.

Dadurch war die Idee der Piazzetta tot. Das Rathaus, wie ich es geplant habe, hätte einen Platz gebraucht und nicht das, was es jetzt hat. Den Nogenter Platz überhaupt so zu nennen, ist eigentlich eine Frechheit. Siegburg ist eine schöne Stadt, vor allem der Marktplatz gefällt mir. Deshalb tut es mir umso mehr leid, dass das so gelaufen ist.

Wie haben Sie damals reagiert?
Busmann: Damals hat mich das unglaublich mitgenommen, ich war völlig entsetzt. Mit der Reputation, die ich heute habe, hätte ich natürlich alle Hebel in Bewegung gesetzt, aber damals war ich jung, und das Rathaus war eines meiner ersten Projekte. Ich konnte die Siegburger Politik nicht dazu bewegen, das nicht zu machen, aber ich habe mir damals geschworen, für diese Stadt nie wieder etwas zu bauen.

Was sagen Sie zur Diskussion über das Rathaus, die in Siegburg gerade wieder hochkocht?
Busmann: Heute, so viele Jahre später, bin ich da leidenschaftslos. Ein leidenschaftlicher Architekt bin ich aber auch mit 80 Jahren nach wie vor, und ich setze mich dafür ein, Gutes zu erhalten und Schlechtes zu verhindern. Deshalb bin ich gegen einen Abriss und habe auch vor fast vier Jahren der Bürgerinitiative, die sich gegen den Abriss des Rathauses gebildet hatte, mit Tipps und Know-how geholfen.

Ist das Rathaus denn in seiner jetzigen Form überhaupt erhaltenswert?
Busmann: Die große Front des Rathauses kommt ohne einen Platz vor sich nicht so zur Geltung, wie sie es hätte tun können. Aber der angrenzende Teil zum Schützenhaus hin, wo sich auch der Ratssaal befindet - das ist der lebendige Teil des Rathauses, mit der Zeder, die ich damals dort gepflanzt habe, mit dem Innenhof und der Galerie. Ich bin der Meinung, dass man etwas Lebendiges, etwas, das funktioniert, nicht umbringen, also abreißen sollte.

Was sagen Sie zu dem Gutachten, das die Stadt in Auftrag gegeben hat und das zum Ergebnis kam, dass ein Abriss möglicherweise günstiger wäre als die Sanierung des Rathauses?
Busmann: Man kann doch noch gar nicht wissen, wie viel eine Sanierung kosten würde. Solche Vorgänge kenne ich, genau das Gleiche passiert ja derzeit in Köln bei der Diskussion ums Stadtmuseum. Es soll ja manchmal auch Gutachten geben, bei denen vorher schon klar ist, was dabei rauskommen soll.

Sie besitzen das Urheberrecht für das Rathaus, bei einer Sanierung müsste die Stadt Sie mit einbeziehen. Hat man Kontakt mit Ihnen aufgenommen?
Busmann: Nein, ich werde persönlich überhaupt nicht informiert. Das Urheberrecht ist ja etwas Merkwürdiges: Wenn man verändert oder saniert, muss man sich mit dem Urheber abstimmen, wenn man abreißt, aber nicht. Das ist, als würde man bestraft, wenn man jemand verletzt, aber nicht, wenn man ihn umbringt.

Setzen wir einmal voraus, das Rathaus würde saniert. Welche Vorstellungen hätten Sie?
Busmann: Zunächst einmal hätte ich durchaus die Erwartung, nicht nur wegen des Urheberrechts, dass man das mit mir abstimmt. Wenn ich den Auftrag bekäme, eine Gestaltung für das Rathaus zu entwerfen, würde ich vor allem an die Fassade rangehen und diese ganz anders gestalten, unabhängig von den alten Strukturen.

Weil die Piazzetta ja nicht existiert, würde ich versuchen, von diesem schmalen Durchgang vom Markt aus einen Blickpunkt am Eingang des Rathauses zu schaffen, so dass man nicht einfach auf diese lange Fassade schaut, die in ihrer jetzigen Form gar keinen Sinn mehr hat. Alles andere würde ich zurückhaltend, einfach und so preiswert wie möglich gestalten. Das muss gar nicht furchtbar aufwendig sein, nur so, dass man vom Markt aus neugierig wird auf das, was dahinter liegt.

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