Tatort Pfarrhaus: Tresor wird geknackt

Rüngsdorfer Schlosser fördert in einem Abstellraum wertvolle Messkelche ans Tageslicht - Prüfung durch Sachverständige des Bischöflichen Diözesanmuseums in Köln steht bevor

  Viele Jahre  schlummerten diese Messkelche in einem Tresor der Gemeinde Herz Jesu. Noch gibt der Fund Rätsel auf.

Viele Jahre schlummerten diese Messkelche in einem Tresor der Gemeinde Herz Jesu. Noch gibt der Fund Rätsel auf.

Foto: Lannert

Bad Godesberg. Es war nicht das erste Schloss, das Schlossermeister Günter Gottmann in seinem Leben aufgebohrt hat. Meist war der Schlüssel weg. So auch diesmal. Doch Routine war es diesmal nicht. "Tatort" war ein Abstellraum im ehemaligen Pfarrhaus von Herz Jesu in der Denglerstraße. Dort galt es, einen wuchtigen Tresor, um die 100 Jahre alt, zu knacken. Als Günter Gottmann den Magnetbohrer ansetzte, war auch Ehefrau Monika dabei.

Nach anderthalb Stunden die Überraschung: Drei schwarze, haubenförmige Behältnisse kamen ans Tageslicht. In jedem verbarg sich ein silberner Messkelch mit Goldauflage nebst zugehörigen Hostienschalen, den so genannten Patenen, und zwei Kelchlöffelchen.

Mit Urkunden oder alten Bauplänen hatten die Gottmanns gerechnet, nicht aber mit drei Fundstücken, die ein Stück Kirchen- und Liturgiegeschichte wieder lebendig werden lassen. Denn als sicher ist anzunehmen, dass die drei Messkelche in der Liturgie der Herz-Jesu-Kirche Verwendung fanden.

Der Tresor stand lange Jahre in der Sakristei. In ihm wurden liturgische Gegenstände aufbewahrt. Später gelangte er in das Pfarrhaus. Dort stand er in einem Abstellraum in der Wohnung des kürzlich verstorbenen Organisten Winfried Geis. Wie und warum man den Koloss dorthin geschafft hat, ist Günter Gottmann ein Rätsel: "Der wiegt bestimmt 200 Kilo!"

Im Hause der Familie Gottmann unterzieht das Ehepaar die Fundstücke einer ersten kunsthistorischen Einordnung. Sachkunde steuert Martin Blumenthal vom Kirchenvorstand St. Andreas/Herz Jesu bei. Blumenthal ist leidenschaftlicher Sammler sakraler Gegenstände. Einer der Kelche stamme zweifellos aus der Barockzeit, meint er. Deutlich sichtbare Spuren von Hammerschlägen, so genannte "Punzen", zeigen, dass es sich um ein handgetriebenes Werkstück handelt.

An der "Cupa", dem oberen Teil des Kelches, befindet sich ein winziges Zeichen. Delle oder Meisterzeichen, das bleibt in der kleinen Gelehrtenrunde zunächst offen. Auf dem Fuß des Kelches, der so genannten Basis, markiert ein kleines Kreuz aus fünf geschliffenen Granatsteinen die Vorderseite, drei weitere Granate zieren den Rest der Fläche. Einen fehlenden Granat hat Monika Gottmann bereits stilecht ersetzt.

Der zweite Kelch verrät seine Entstehungszeit dank genauer Datierung. "Dem Neopresbyter Cassius Schmitz zu Andenken gewidmet von J.H.S. 2. Juli 1896" ist auf der Unterseite der Basis eingraviert. Als Hersteller ist die Werkstatt "F.X. Hellner Cöln a. Rh." angegeben. In den Kirchenannalen findet sich allerdings kein Cassius Schmitz. Auffällig sind vier Bildmedaillons mit Heiligenfiguren an der mit Accantusblüten verzierten Basis. Ihnen korrespondieren an der Cupa Porträts der vier Evangelisten.

Der dritte Kelch ist in seinen Grundzügen maschinell gestanzt, aber zusätzlich mit Verzierungen von Hand versehen. Die Cupa ist mit dem Spruch "Salutaris accipiam calicem" geschmückt, auf der Unterseite der Basis ist der Satz "Um ein Memento bittet die Stifterin Frl. M. Schlösser" zu lesen. Dieser Kelch dürfte aus der ersten Dekade des 19. Jahrhunderts und damit aus der Gründungszeit der Herz-Jesu-Kirche stammen, die 1906 geweiht wurde.

Um die Mitte der 30er Jahre, so schätzt Blumenthal, wurden die Kelche offenbar unmodern und wurden ausgesondert. Demnächst werden Sachverständige des Bischöflichen Diözesanmuseums in Köln eine Prüfung der Messkelche vornehmen.

Pfarrer Wolfgang Picken vom Pfarrverband St. Evergislus, Heilig Kreuz, Herz Jesu und St. Andreas gewinnt dem Fund über seinen kunsthistorischen Wert hinaus auch symbolische Bedeutung ab: "Es melden sich verborgene Talente." Picken spielt damit auf die Bürgerstiftung "Rheinviertel" an, die sich derzeit über einen erheblichen Zuwachs an engagierten Mitgliedern freuen kann.

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