Evangelische Christuskirche Peer Steinbrück predigte in Bad Godesberg

BAD GODESBERG · Peer Steinbrück hatte Freitagabend zur "Primetime" unbestritten Entertainerqualitäten in die evangelische Christuskirche mitgebracht. Dass Pfarrer Oliver Ploch ihm hier ein Mikrofon zur Verfügung stellt, sei bei einem Politiker hochgefährlich.

 Ganz in seinem Element ist Peer Steinbrück auf der Kanzel der Christuskirche.

Ganz in seinem Element ist Peer Steinbrück auf der Kanzel der Christuskirche.

Foto: Roland Friese

"Oder wollen Sie, dass ich so lange rede, bis sich Ihre Gesichter verfärben?" Ein Kollege sage in solcher Situation dann gerne, ach, er habe ja leider keine Uhr dabei. Da habe ihm ein Zuhörer schon zugerufen: "Aber hinter Ihnen hängt ein Kalender."

In das Lachen seines weit über 600-köpfigen, bis zur Eingangstür stehenden Publikums hinein lächelte der eher spröde und ironische Norddeutsche. Steinbrück ist Gemeindemitglied und als solcher geladen, zum Bibelspruch "Wer Geld liebt, wird vom Geld niemals satt" zu sprechen. Nichts leichter als das für den ehemaligen NRW-Ministerpräsidenten und Bundesfinanzminister, dem seiner unerschütterlichen Sachbezogenheit und Authentizität wegen selbst der politische Gegner nichts am Zeug flicken konnte.

Was sei in der größten Finanzkrise nach dem Zweiten Weltkrieg, in deren viertem Jahr man sich befinde, wirklich passiert? Wer bezahle für den Schaden, und wie komme die Staatengemeinschaft da wieder heraus, waren die diesen Abend bestimmenden Fragen, kündigte der Mann an, den die Wochenzeitschrift Spiegel unlängst als "Überzeugungspolitiker" und einzigen möglichen Kanzlerkandidaten einer schwächelnden SPD, als "Baum unter Büschen", belobigte.

Und dann jonglierte der Volkswirt auf der Kirchenkanzel über eine Stunde lang ohne jegliches Manuskript sich selbst die finanzpolitischen Bälle nur so zu. Wie die Dynamitstangen der Krise in affenartiger Schnelligkeit plötzlich weltweit zündeten, wie die Deutschen 2009 selbst für ihn erstaunlich gelassen reagierten, bis ihnen dann doch irgendwann einmal die Angst vor dem Staatsbankrott zusetzte. All das rekapitulierte der Politprofi in durchweg druckreifen Sätzen für ein mitgerissenes Publikum.

"Wir stecken noch mittendrin in der Krise, die auch Ihre Aggregatzustände verändert", so Steinbrück. Es müsse immer noch heißen: "Vorsicht an der Bahnsteigkante", weil schlimmstenfalls ein entgegenkommender Zug heranrase. Deshalb plädiere er dafür, dass endlich eine Umsatzsteuer auf Finanzgeschäfte erhoben werden müsse. "Das kriegen wir international nicht hin, zeigen mir dann Kritiker den Vogel", gab der kühle Rechner zu.

Seine Antwort heiße, dann müsse, wer den politischen Taktstock nicht aus der Hand geben wolle, eben erst mal national und dann mit den sechs europäischen Kernländern anfangen.

Es habe doch auch ansonsten schon so mancher Bürger von Maßnahmen aus der Krise profitiert, der sich nun nicht aus der Verantwortung für die Bewältigung stehlen dürfe. Ironisch grinste Steinbrück ins Kirchenschiff: "Also alle jetzt bitte mal aufstehen, die die Abwrackprämie in Anspruch genommen haben."

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