65 Jahre verheiratet Die Gedichte ihres Mannes hat sie noch heute

BONN · "Siehst du die auch?", fragte Karl Garbe 1948 seinen Freund beim Blick in den Saal einer sauerländischen Gaststätte. Obwohl dort junge Männer und Frauen in großer Zahl tanzten, wusste der sofort, um wen es ging: "Ja, die sehe ich auch."

Das war der Auftakt zu einer Liebesgeschichte und einer langen, glücklichen Ehe, die heute als "eisern" gefeiert wird.

Seit 65 Jahren sind Karl und Christel Garbe verheiratet. Die Anfangszeit als Werbender verbrachte der damals 21 Jahre alte, jüngste Verwaltungsbeamte der britischen Besatzungszone, mit dem Verfassen romantischer Liebesgedichte. "Das gefiel mir sehr", erinnert sich Christel Garbe. "Er war überhaupt so unterhaltsam.

Und er sprach viel mehr als die anderen damals." Aus einem Schrank ihrer behaglichen Wohnung am Rheinufer zieht sie eine Mappe hervor, die ein Geschenk ihres Mannes zum 81. Geburtstag war: Noch mehr Gedichte, ebenso liebevoll und kreativ getextet wie Jahrzehnte zuvor. "Man konnte schließlich nicht einfach hingehen und sagen: Hallo Puppe, du gefällst mir", beschreibt der Jubilar seine Zeit auf Freiersfüßen, "man musste in Serpentinen herumschleichen."

Die berufliche Karriere des erfolgreichen Publizisten nahm einen direkteren Weg: Vom Mitarbeiter der Jungsozialisten zum Öffentlichkeitsarbeiter für die Granden der SPD in der berühmten Bonner "Baracke". Garbe formulierte die Kerngedanken des "Godesberger Programms" so, dass sie vom Normalbürger zu verstehen waren und half dabei, das Image der SPD von der Arbeiterpartei zur Volkspartei zu wandeln.

Nebenbei verfasste er im häuslichen Arbeitszimmer sein vielbeachtetes "Soldbuch" (erschienen 1965), in dem er seine Erlebnisse als Panzergrenadier an der Ostfront und als US-Kriegsgefangener schildert.

Christel Garbe, die als Bochumer Gymnasiastin zur Kinderlandverschickung nach Pommern gebracht worden war, las die neuen Kapitel als Erste: "Ich war natürlich neugierig, was mein Mann da so schreibt." Viele Manuskripte sollten noch folgen. Sobald die beiden Töchter Carola und Cornelia größer waren, begleitete die Hausfrau ihren Mann auf seinen beruflichen Reisen.

Gemeinsam waren sie in Rio de Janeiro und San Francisco, Moskau und Leningrad, Beirut und Teheran. Noch ein Anschauungsstück wird herbeigeholt: Das Foto eines versonnen lächelnden 80er-Jahre-Ehepaars vor einem Wasserfall in Hawaii. Inzwischen sind die beiden nicht nur dreifache Großeltern, sondern sogar Urgroßeltern. Das Alter der kleinen Rosa nennt der stolze Urgroßvater, ohne auch nur darüber nachdenken zu müssen: "Zwei Jahre und vier Monate."

Gemeinsamkeit prägt das Leben von Hans und Christel Garbe. Wenn sie Erlebnisse und Anekdoten ihrer Vergangenheit Revue passieren lassen, ist zu spüren, dass sie sich stets gleichauf gefühlt haben. "Ein Beispiel", sagt der Ruheständler lächelnd: "Als ich mir mein erstes Auto anschaffte, habe ich gesagt: Das geht nur, wenn meine Frau auch eins bekommt. Das war zwar teuer, aber wichtig."

Die wichtigste aller Zutaten zum Rezept "65 Jahre glückliche Ehe" verrät er, ein wenig verschmitzt, zum Schluss: "Ich war damals in Christel verschossen - und ich bin es immer noch."

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