Geschichte in Bonn Studentenbewegung anno 1920

Bonn · Die Zeit zwischen den Weltkriegen war in Bonn die Hochphase der Korporationen. Preußische Adelige feierten hier rauschende Feste.

 Gaudeamus igitur: Das Foto zeigt eine Mensurszene aus dem Wintersemester 1920/21 in Bonn. Bei den Herren mit den weißen Kopfbedeckungen könnte es sich um Mitglieder des Corps Borussia handeln, dem auch zahlreiche Mitglieder der Kaiserfamilie angehörten.

Gaudeamus igitur: Das Foto zeigt eine Mensurszene aus dem Wintersemester 1920/21 in Bonn. Bei den Herren mit den weißen Kopfbedeckungen könnte es sich um Mitglieder des Corps Borussia handeln, dem auch zahlreiche Mitglieder der Kaiserfamilie angehörten.

Foto: Stadtarchiv Bonn

Es muss eine lukrative Zeit für die Bonner Herrenausstatter gewesen sein, als männliche Studenten ausschließlich im Anzug aus dem Haus gingen. So wie auf dem Foto eines unbekannten Fotografen aus dem Wintersemester 1920/21. Verewigt hat er einen Kreis von Nachwuchsakademikern, die gerade mit einem „scharfen“ Zeitvertreib beschäftigt sind. Vor der Gruppe farbentragender Mittzwanziger stehen einander die beiden Paukanten und Sekundanten während einer studentischen Mensur gegenüber.

Wie in allen deutschen Universitätsstädten erlebten die Studentenverbindungen in der Zeit unmittelbar vor und nach dem Ersten Weltkrieg ihre historische Hochphase. Von den rund 5000 männlichen Studenten in den ersten Semestern nach dem Krieg gehörte an der Uni Bonn die große Mehrheit einer der zahlreichen und bis heute höchst unterschiedlichen Korporationen an.

Zum Aufschwung des farbentragenden Milieus um die Jahrhundertwende in Bonn hatte mit Kronprinz Wilhelm von Preußen kein geringerer als das spätere Staatsoberhaupt beigetragen. Wie der Sohn Bismarcks gehörten zahlreiche preußische Adelige dem Corps Borussia an der Kaiserstraße an. Bonn galt gewissermaßen als Partyzone: Der Nachwuchs der preußischen Society feierte am Rhein rauschende Feste, und nicht selten waren die Häuser der Korporationen der Schauplatz.

Der Kaiser besuchte im Mai 1891 Bonn und leitete in Band und Mütze einen Festkommers. Ansonsten allerdings waren die Jahre nach dem verlustreichen Krieg in Bonn alles andere als lustig. Auch die Mitglieder der Bonner Studentenverbindungen machten gegen die restriktive Politik der Besatzungsmächte mobil, was ihnen in der Bonner Bevölkerung hohe Sympathiewerte einbrachte. Kritiker wenden indessen ein, gerade die enge Verbindung zwischen dem Bonner Hochschulleben und den Repräsentanten des wilhelminischen Staates seien Ursache und Symptom zugleich für das „verstaubte“ und vermeintlich revolutionsunwillige Image der Bonner Universität gewesen.

Wie auch immer: In den 1920er Jahren trug man Couleur – sei es im Hörsaal oder im Biergarten. Die Zeit wurde zum Quell von Anekdoten und Liedern, und wer über die Stränge schlug, kam in den Karzer, wie die Arrestzellen an den Universitäten genannt wurden. Sonderlich lange währte die Blütezeit allerdings nicht, 1936 wurden die Verbindungen verboten.

Zurück zum abgebildeten Foto: Die Schwarz-Weiß-Aufnahme erschwert die Zuordnung, um welche – mitunter weiterhin existierende – Studentenverbindungen es sich handelt. Auch ist nicht bekannt, wo genau das Bild entstand. Viele Details deuten indes darauf hin, dass im Augenblick der Aufnahme die Arbeit des Fotografen wichtiger war als das Geschehen in der Mitte, und das Bild vermutlich vor oder nach der eigentlichen Mensur entstand. Rolf Sachsse verweist in seinem neuen Bildband auf das rasante Wachstum der Bonner Universität, das nicht nur das Stadtbild, sondern auch die Stadtgesellschaft verändert habe. Überdauert haben nicht nur die Studentencorps: Auch der Anzug hielt sich noch eine ganze Weile in den Hörsälen – wie nicht zuletzt viele Fotos der Studentenbewegung von 1968 beweisen.

Das abgebildete Foto ist eines von 400 Bildern, die in dem neuen Buch „Bonn. Von der Rheinreise zu den Ostverträgen. Fotografien 1850 bis 1970“ enthalten sind. In mehreren Folgen stellen wir Motive aus der Sammlung vor. Das Buch aus dem Greven-Verlag kostet 39,90 Euro und ist in den GA-Zweigstellen erhältlich.

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