Neues Album Einer ruft, und alle singen mit

Bonn · Rufus Wainwrights bringt ein neues Album mit dem Titel „Folkocracy“ heraus. Es handelt sich dabei um eine Rückkehr zu familiären Wurzeln.

 Die 15 Lieder aus dem Album von Rufus Wainwright stammen aus verschiedenen Epochen.

Die 15 Lieder aus dem Album von Rufus Wainwright stammen aus verschiedenen Epochen.

Foto: dpa/Jörg Carstensen

Einem Musiker wie Rufus Wainwright passt eine poetische Kreation des amerikanischen Dichters Walt Whitman wie angegossen: „I contain multitudes.“ Ich enthalte Vielheiten. Der kanadische Sänger und Songschreiber Wainwright, der am 22. Juli 50 wird, gehört mit seiner geschmeidigen, verführerisch samtigen Stimme zu den großen Interpreten des Pop. Er hat darüber hinaus Opern geschrieben, Sonette von Shakespeare vertont, mit Elton John, Burt Bacharach und Joni Mitchell kollaboriert und sich in Judy Garland verwandelt.

Das neue Album heißt „Folkocracy“ und ist gewissermaßen eine Rückkehr zu familiären Wurzeln. Wainwrights 2010 gestorbene Mutter Kate McGarrigle und ihre Schwester Anna McGarrigle bildeten ein legendäres Folk-Duo. Die 15 Lieder des einstündigen Albums stammen aus verschiedenen Epochen und spiegeln einen weitgefassten Begriff von Folkmusik. Der Sänger begrüßt das Publikum in einem Saloon, in einem intimen Club, auf einer Musicalbühne, im klassischen Konzertsaal (mit Franz Schuberts „Nacht und Träume“) und in einer Sängermeisterklasse, wenn er mit Anohni seinen Song „Going To A Town“ aus dem Jahr 2007 neu interpretiert. Für „Kaulana Na Pua“ packen sie die Hawaiigitarre aus. Auf den wenigsten Stücken erscheint Wainwright allein. Er hat angerufen, und sie singen alle mit: Madison Cunningham, John Legend, Susanna Hoffs, Sheryl Crow, Chris Stills, Anohni (ehemals Antony von Antony and the Johnsons), Brandi Carlile, Andrew Bird, David Byrne, Nicole Scherzinger, Martha Wainwright, Lucy Wainwright Roche, Van Dyke Parks, Chaka Kahn, Anna McGarrigle, Chaim Tannenbaum und Lily Lanken.

Das Album beginnt mit einer zweistimmigen Etüde in Einsamkeit. Der mit Cunningham aufgenommene Song heißt konsequenterweise „Alone“. „Heading For Home“ (mit Legend) erzählt vom Winter, der sich in den Knochen breitmacht. Doch dann, mit „Twelve-Thirty (Young Girls Are Coming To The Canyon)“ von The Mamas and the Papas, blendet die kalifornische Sonne von 1968 das Publikum. Wainwright bringt das Lied mit Hoffs, Stills und Crow in ansteckende Bewegung.

„Folkocracy“ arbeitet bis zum Ende mit Vielheiten, um wieder mit Whitman zu sprechen. „Harvest“ ist auf Augenhöhe mit seinem Schöpfer Neil Young; Bird und Stills begleiten ihren Kollegen Wainwright. „Black Gold“ (mit Van Dyke Parks) entwickelt eine Kurt-Weill-hafte Vitalität. David Byrne, ehemals der aufreizend coole Kopf der Talking Heads, bewegt sich gesanglich etwas hüftsteif durch „High On A Rocky Ledge“. Ganz im Gegensatz zu Chaka Kahn, die mit Wainwright seelenvoll in „Cotton Eyed Joe“ eintaucht. „Wild Mountain Thyme“, der letzte Titel des Albums, beweist, welche Tiefe Folk gewinnen kann. Ein würdiger Abschluss und fast so etwas wie ein kleines Wainwright-Familienkonzert.

Rufus Wainwright: Folkocracy. BMG. CD, Vinyl und digital.

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