Gespräch mit dem Dirigenten Stephan Zilias Die Leidenschaft muss echt sein

Bonn · Der aus Wiesbaden stammende Stephan Zilias ist seit Beginn der Saison Erster Kapellmeister an der Bonner Oper. Am Sonntag dirigiert er die Premiere von Giacomo Puccinis „Madama Butterfly“.

 Echte Gefühle und Leidenschaften: Dirigent Stephan Zilias.

Echte Gefühle und Leidenschaften: Dirigent Stephan Zilias.

Foto: Thilo Beu

Es gibt eine Szene in Giacomo Puccinis „Madama Butterfly“, in der macht der reiche Japaner Yamadori der Titelheldin ein Angebot, von dem er glaubt, dass sie es nicht ablehnen kann. Für den jungen Dirigenten Stephan Zilias, der am Sonntag die Premiere des Dramas im Bonner Opernhaus dirigieren wird, verrät die Musik an dieser Stelle mehr, als man im Textbuch findet.

Wenn Yamadori der Angebeteten seine Avancen macht und ihr erklärt, dass er alle seine Geliebten geheiratet habe, will er Cio-Cio-San damit zwar so etwas wie Verlässlichkeit signalisieren, erreicht aber natürlich das komplette Gegenteil. „In diesem Moment hört man das Geisha-Motiv wieder“, sagt Zilias, „man weiß also genau, was das für Frauen waren. Yamadoris Abenteuer waren natürlich nichts Ernstes.“

Solche musikalischen Kommentare seien „wahnsinnig spannend“, sagt Zilias. „Man schaut, wo die Motive herkommen, wo sie eingeführt werden und in welchem Zusammenhang sie wieder auftauchen.“ Zilias mag es, solchen psychologischen Verbindungen nachzuspüren. Der Zuhörer werde zwar nicht alles bewusst verfolgen können, wenn er die Partitur nicht vor Augen habe. „Aber die Dramaturgie des Stückes wird dadurch schon stärker.“ Deshalb ist es ihm auch wichtig, dass es im Orchester jedem klar ist, was gerade auf der Bühne gesungen wird. „Denn Puccini reagiert in der Komposition geradezu seismisch auf jedes Wort, das gesungen wird.“

Zilas habe eine Aversion gegen Kitsch

Bei aller Emotionalität, die in Puccinis Musik zum Ausdruck gebracht wird, soll sie nach Zilias' Vorstellung doch nie kitschig herüberkommen. Gegen Kitsch habe er eine Aversion. „Dieses Stück ist wirklich traurig“, sagt er, aber die Gefühle sollen echt sein. „Ich finde es geradezu verwerflich, wenn man in der 'Butterfly' die Tempi zu breit nimmt.“ Die originalen, eher rascheren Metronomangaben würden viel zu häufig einfach ignoriert. Die Musik soll deshalb nicht nüchtern herüberkommen, aber: „Mir geht es um echte Leidenschaft, um echte Trauer, um echten Schmerz.“ Hier die Balance zu finden, ist das Geheimnis.

Seit Anfang der Saison ist der in Wiesbaden geborene Zilias Erster Kapellmeister in Bonn, hat hier Stücke wie „Zauberflöte“, „Benvenuto Cellini“ oder „Jérusalem“ als Übernahme dirigiert, das Musical „Anatevka“ selbst einstudiert. Für Zilias war es recht früh klar, dass ihn seine musikalische Laufbahn zum Musiktheater führen würde.

Musikalische Laufbahn

Eine Tante aus Osnabrück, die damals Cellistin im Orchester war, nahm ihn oft mit ins Theater. Damals war einer seiner Bonner Vorgänger, Lothar Königs, dort Generalmusikdirektor. Seine Ausbildung erhielt Zilias in Köln. Unter anderem beim früheren Bonner Generalmusikdirektor Volker Wangenheim im Fach Dirigieren und bei Pierre-Laurent Aimard am Klavier. Als Pianist machte ihm vor allem die Kammermusik viel Freude. Mit seinem eigenen Klaviertrio konzertierte er sogar erfolgreich.

Prägend waren für den jungen Musiker auch seine drei Londoner Studienjahre. Die Stadt hat ihn unglaublich fasziniert, aber: „Arbeiten in London ist echt übel.“ Das Leben sei sehr, sehr teuer, das Einkommen hingegen gering. Keine gute Kombination.

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