Dunkle Aggression: Die deutsche Band Tocotronic im Kölner E-Werk

Etwas ist anders. Tocotronic haben sich verändert. Man hört es bereits in den ersten Akkorden des eröffnenden "Eure Liebe tötet mich".

Dunkle Aggression: Die deutsche Band Tocotronic im Kölner E-Werk
Foto: pa/ Jazzarchiv

Köln. Etwas ist anders. Tocotronic haben sich verändert. Man hört es bereits in den ersten Akkorden des eröffnenden "Eure Liebe tötet mich".

Da sind die Melancholie und das nachdenkliche Pathos, aber da ist auch eine dunkle Aggression, die so auf Tocotronics Alben und auch bei ihren Konzerten kaum zu hören war, die dem Quartett aber hervorragend steht.

Was Tocotronic im beinahe ausverkauften Kölner E-Werk im Jahre 2010 von der Band früherer Jahre unterscheidet, ist die Attitüde: Das bei aller lyrischen Wut stets Zurückgenommene fehlt, das Manierierte ihrer klugen Reflexionen über Kapitalismus und postmoderne Kultur tritt ebenso in den Hintergrund wie sauber perlende, unverzerrte Gitarren.

"Ein leiser Hauch von Terror" etwa ist musikalisch ungleich kraftvoller als auf dem jüngsten Album "Schall und Wahn" und mit seinen dissonant schreienden Gitarren beinahe wilder Punkrock.

Spätestens "Stürmt das Schloss" und "Sag alles ab" sind dann wilder Punkrock, während das vollkommen großartige "Aber hier leben, nein danke" zu einem rauen, stampfenden und ebenfalls verzerrten Blues wird, bei dem das Timbre von Sänger und Gitarrist Dirk von Lowtzow erstaunlicherweise gar an den jungen Glenn Danzig erinnert.

Gehörtes und Gesehenes unterscheidet sich zunächst stark voneinander: Die Band spielt hoch- konzentriert und beinahe reglos, das Publikum hört nicht minder konzentriert und ebenso reglos zu.

Kommunikation zwischen Band und Publikum findet minimal statt; die in ihrer Dreisprachigkeit (Deutsch, Englisch, Französisch) gelegentlich etwas affektierten Ansagen sind kurz und präzise ("Ein Lovesong for you, pour vous, für euch").

Die Spannungskurve des neunzig Minuten und 21 Songs umfassenden Auftritts gelingt jedoch fantastisch, so dass am Ende dann doch Bewegung, schwitzende Leiber und gar in die Luft gereckte Fäuste zu sehen sind.

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