Ton Steine Scherben in Köln Es ist wieder Land in Sicht

KÖLN · Nach gut anderthalb Stunden hat niemand die Tische vom Fanartikel-Stand demoliert, keines der umliegenden Häuser ist besetzt worden und die Feuerwehr musste nicht in die Ehrenfelder Lichtstraße ausrücken, um dort einen Brand zu löschen.

 "Mein Name ist Mensch": Ton Steine Scherben im Konzert.

"Mein Name ist Mensch": Ton Steine Scherben im Konzert.

Foto: Brill

Wenn Ton Steine Scherben, 44 Jahre nach ihrer Gründung und 29 Jahre nach ihrem letzten Auftritt, in der Live Music Hall spielen, bleibt alles friedlich. Nichts ist kaputtgegangen. Die Zeiten ändern sich.

Einst galten "die Scherben" als Hausband der linksalternativen Szene. Wo sie auftraten, gab's Randale, und mit Songs wie "Macht kaputt, was euch kaputt macht" oder "Ich will nicht werden, was mein Alter" fassten sie zwar in Worte, was eine rebellische Jugend bewegte, hatten aber null Chance, von der konservativen Musikindustrie akzeptiert zu werden.

Mit R.P.S. Lanrue (Gitarre) und Kai Sichtermann (Bass) sind 2014 zwei von vier Gründungsmitgliedern dabei. Funky K. Götzner (Schlagzeug, Percussion), Maxime S. P. (Schlagzeug, Percussion), Ella Josephine Ebsen (Gitarre, Gesang), Nicolo Rovera (Gitarre, Gesang), Elfie-Esther Steitz (Gesang, Chorgesang und Percussion) sowie Lukas McNally (Keyboard) komplettieren die neue alte Band.

450 Fans erleben am Donnerstagabend um 22 Uhr den Beginn des Konzerts im Rahmen des Musikfestivals "c/o pop" (noch bis Sonntag, 24. August).

Die Scherben machen druckvollen Rock, leider ist der Sound sehr dumpf und verwaschen, stellenweise geht der Gesang komplett unter. Stücke wie "Wenn die Nacht am tiefsten...", "Halt dich an deiner Liebe fest" oder "Mein Name ist Mensch" werden dennoch begeistert aufgenommen.

Das elegische "Land in Sicht" widmen die Scherben ihrem 1996 verstorbenen Ex-Frontmann Rio Reiser, auch "Macht kaputt, was euch kaputt macht" fehlt nicht im Repertoire. Die ausdauernden "Zu-ga-be, Zu-ga-be"-Rufe werden mehrfach belohnt, unter anderem mit der programmatischen Hymne "Keine Macht für Niemand".

Statt zu versuchen, einen zweiten Rio zu finden und als Galionsfigur aufzubauen, präsentieren sich die Berliner als gleichberechtigtes, spielfreudiges Kollektiv mit wechselnden Leadstimmen. Eine kluge Entscheidung.

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