Küchen, Katzen, Kalter Krieg

Wladimir und Olga Kaminer tischen bei Bouvier in Bonn ein russisches Omelette auf

  "Küche totalitär"  von Wladimir und Olga Kaminer.

"Küche totalitär" von Wladimir und Olga Kaminer.

Foto: GA

Bonn. Wer in Russland in ein Restaurant geht, der geht nicht zum Essen, sondern zu einem Ereignis. Und wenn derjenige, der ins Restaurant geht, Kaminer heißt, dann wird aus diesem Ereignis mit großer Wahrscheinlichkeit auch ein literarisches Festmahl.

Zumal bei "Küche totalitär" gleich zwei Kaminer am Werk waren: Wladimir und seine Frau Olga, die Originalrezepte zu der realsatirisch-kulinarischen Reise durch die ehemaligen Sowjetrepubliken beigesteuert hat. So zum Beispiel eine Anleitung zur Zubereitung des Chartscho, einer Suppe, mit der die Kaminers ein Zusammentreffen von schick und scharf, von Anzugträger und Kellner in einem georgischen Restaurant in Moskau verbinden.

Da aber die Geschichten wieder einmal aus Wladimirs Feder stammten und da das laute Vortragen von Zutaten vor Publikum wohl eher weniger appetitlich daherkommt, las Olga auf der Bouvier-Literaturbühne lieber aus ihrem eignen, vor kurzem erschienen ersten Erzählband "Alle meine Katzen".

Und bewies damit, dass sie genauso geistreich erzählen kann wie ihr Mann: Etwa von ihrer Freundin Tatjana aus Leningrad, deren Beziehung zu einem in Wirklichkeit streng gläubigen Professor für marxistisch-leninistische Sinologie und dessen Versuch, Tatjana und deren schwarze Katze zu exorzieren.

Oder wie sie zu Masja gekommen ist, dem türkischen Kater, der bereits in "Russendisko" Berühmtheit erlangt hat und auf den in Olgas Geschichte ein Freund "aufpasst". Auch Wladimir steuerte eine Katzengeschichte zur Lesung bei und berichtete von einem weiteren Familienkater, Fjodor Dostojewski, an dem die Kinder der Kaminers ihren ersten unbeabsichtigten Tierversuch durchführten.

Ganz nach seiner Gewohnheit las Kaminer auch noch viele andere, bisher unveröffentlichte Geschichten aus einem Buchprojekt, das, wenn man ihm Glauben schenken soll, 2011 auf den Markt kommt und in dem es um Legenden und Missverständnisse des letzten Jahrhunderts geht: um den Kalten Krieg und die Verbreitung des Gerüchts, in der Sowjetunion habe es keinen Sex gegeben, um deutsche und russische Schulsysteme und um die Frage, ob Montessori-Pädagogik oder ideologisch begründeter Drill in der Pisa-Weltrangliste weiter nach oben bringen.

Bei all den Anekdoten wurde das Kulinarische zwar am Ende etwas in den Hintergrund gedrängt, aber das Textgemisch, das die studierte Chemikerin Olga und der gelernte Toningenieur Wladimir ihrem Publikum vorsetzten, war trotzdem ein äußerst schmackhaftes russischen Omelette.

Wladimir und Olga Kaminer: Küche totalitär. Goldmann, 224 S., 18 Euro.

Olga Kaminer: Alle meine Katzen. Ullstein, 180 S., 16,95 Euro.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Ein Porträt Venedigs am Piano
Iiro Rantala und Fiona Grond beim Jazzfest Ein Porträt Venedigs am Piano
Zum Thema
Aus dem Ressort