Musik und Mathematik

Wahl zum Bonner Generalmusikdirektor: Eine Glosse

Schon Claude Debussy ahnte: "Musik ist eine geheimnisvolle Mathematik." Da wusste er freilich noch nichts von so aufregenden Themen, wie sie beispielsweise an der Technischen Universität Darmstadt behandelt werden. Bei den "arithmetischen Grundlagen der Musik-Mathematik" geht es etwa um das "Eulersche Ton-Netz als geometrische Repräsentation in der Ebene".

Darüber wollen wir uns aus guten Gründen nicht näher auslassen, obwohl das Thema mindestens so spannend ist wie "das 12-Ton-Temperatur-Problem auf den Dodokaeder abgewickelt". Nein, wir beschäftigen uns hier aus noch besseren Gründen mit der einfachen Prozentrechnung. Die beherrscht offenbar der Vorstand des Orchesters der Beethovenhalle. Er zweifelt - drei von vier Mitgliedern gleich 75 Prozent - an der Rechenfähigkeit der Feuilleton-Redaktion des General-Anzeigers.

In der spannenden Frage "Wer wird Generalmusikdirektor in Bonn?" hat sich in einer Orchesterversammlung eine vom Orchester nicht näher bezeichnete Mehrheit für den Dirigenten Carl St. Clair ergeben. Die General-Anzeiger-Hochrechnung, dass nahezu 40 Prozent der Orchestermitglieder gar nicht anwesend waren, bezeichnet der Orchestervorstand als falsch. Will aber partout nicht die richtige Lösung verraten.

Die harten mathematischen Fakten sind die: Das Orchester der Beethovenhalle hat 116 Mitglieder, von denen 101 stimmberechtigt sind. In den Bereich der weichen Fakten gehört die wirklichkeitsnahe Einschätzung, dass 75 Mitglieder abgestimmt haben. Womit wir schon beim gehobenen musikalischen Dreisatz sind.

Eine andere Rechnung ist noch spannender. Die Orchesterversammlung war eine Dienstveranstaltung. Wieso fehlen auf der soviele Musiker? Ist unser verdienstvolles Ensemble verschnupft, von der Grippewelle erfasst? Hatten manche einfach keine Lust zum Dienst? Wieviel Prozent interessieren sich überhaupt dafür, wer neuer Generalmusikdirektor wird? Die Lösung ist nicht so einfach. Wir rechnen weiter. Ulrich Bumann

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