Rekordhalter der deutschen Theaterszene

Seit 50 Jahren ist Walter Ullrich Intendant des Kleinen Theaters in Bad Godesberg

Bonn. "Solch einen Typ wie mich gibt's nicht mehr", sagt Walter Ullrich - und damit hat er wohl recht. Einen wie ihn muss man suchen, einen, der die Balance zwischen Kunst und Geschäft in Perfektion beherrscht.

Deshalb ist Walter Ullrich zumindest in der deutschen Theaterszene unangefochtener Rekordhalter: 50 Jahre ist er jetzt - genauer: am Dienstag - Intendant des Kleinen Theaters Bad Godesberg, und ebenso lange besteht diese Institution, die den Bonner Theaterfreunden ans Herz gewachsen ist.

Kleines Theater - das ist eine sehr verlässliche Ansage für Klassik und Komödie, für Boulevard, Operette und Musical. Wer dorthin geht, weiß nicht nur Qualität zu schätzen, sondern auch den sicheren Rotstift des Intendanten, der offenbar mühelos auch Stücke gewaltigen Kalibers auf passable zweieinhalb Stunden herunterkürzt.

Immer nach der Devise: "Wir spielen fürs Publikum." Auf diesem Leitspruch basiert der ganze Erfolg. Das Publikum in Bonn und der Region schätzt die Arbeit von Walter Ullrich, der auch mit 77 Jahren gern noch einen Dreifach-Beruf ausübt: Intendant, Regisseur, Schauspieler.

Ob die Stadt Bonn das zu schätzen weiß, ist ein bisschen fraglich, auch wenn sich Oberbürgermeisterin Bärbel Dieckmann zur Feier am Dienstag mit einem Grußwort angekündigt hat. Vielleicht erklärt sie ja dann, warum die Stadt ihren Zuschuss fürs Kleine Theater in den letzten Jahren kontinuierlich nach unten gefahren hat.

Die Zeiten sind nicht einfacher geworden für Walter Ullrich, seit er 1958 im Keller des Hauses Ubierstraße 2 in Plittersdorf sein eigenes Kleines Theater eröffnet hat. "Sieben Schauspieler spielen vor 89 aufpolierten Stühlen", hieß es damals in der Presse.

Ullrich, 1931 in Mönchengladbach geboren, war da schon ganz schön herumgekommen: Engagements in Halberstadt, Lüdenscheid, Hagen, Wuppertal, Aachen. Was zumindest einen Vorteil hatte, wie er heute sagt: "Ich bin in Zeiten der Not groß geworden beim Theater." Da lernt man nicht nur schauspielern, sondern auch wirtschaften. Dieser Intendant ist durch die harte Schule gegangen.

Wahrscheinlich deshalb gibt es das Kleine Theater noch, das 1970 sein neues Domizil bezog, das ehemalige Bürgermeisterhaus am Godesberger Stadtpark. Für dieses Haus hat Ullrich einen Vertrag, der bis ins Jahr 2020 reicht. Schöne Aussichten, einen Rekord weiter auszubauen, den ohnehin niemand wird brechen können. "Ich pflege meine Verträge einzuhalten", sagt Ullrich.

Seit 1979 hat er noch einen anderen Vertrag, den als Intendant der Landesbühne Rheinland-Pfalz in Neuwied. Das schwächelnde Unternehmen hat er auf Kurs gebracht, 3 500 feste Abonnenten sind eine sichere Basis (im kleineren Kleinen Theater haben sich immerhin 1 500 Zuschauer ihren Stammplatz gesichert).

Und abgesehen davon, dass die Zusammenarbeit der beiden Bühnen künstlerischen Gewinn bringt - mit der Landesbühne hat Ullrich schon wieder Rekorde aufgestellt. Nahezu zwei Drittel des Etats spielt er selbst ein, der Betriebszuschuss pro Karte liegt bei gerade einmal 8,12 Euro. "Solange der Beruf Spaß macht", wird Walter Ullrich weitermachen. Viele Wünsche auf der Bühne muss er sich freilich nicht mehr erfüllen.

Er hat so ziemlich alles gespielt und inszeniert, was er wollte - bis auf den Lear des William Shakespeare. Aber auch in diesem Punkt ist ein bisschen Abhilfe in Sicht. Im März des nächsten Jahres steht im Kleinen Theater Ronald Harwoods nachdenkliche Kömdie "Ein ungleiches Paar" auf dem Spielplan.

Es geht darin um einen Garderobier und einen alternden Schauspieler, der den Lear spielen soll. Es ist klar, welche Rolle auf Walter Ullrich zugeschnitten ist. Einen ganz frühen Bühnenauftritt übrigens hatte Walter Ullrich im Kurtheater von Bad Liebenstein, als Knäblein in einer Mädchenrolle.

Der Kritiker damals war ziemlich hingerissen: "Walter Ullrich war es, der uns zum ersten Mal auf den Brettern, die vielleicht einst auch für ihn die Welt bedeuten, begegnete als die kleine Beate. Wer möchte es wohl leugnen, daß Klein-Walter nicht zuletzt durch sein allerliebstes Spiel die Herzen aller gewonnen hätte."

Es hat sich nichts geändert. Walter Ullrich spielt sich nach wie vor in die Herzen seines Publikums.

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