Think Tank DIE Entwicklungspolitik gegen Fluchtursachen

Bonn · Die Flüchtlingskrise hat auch die Entwicklungszusammenarbeit wieder ins Blickfeld der Öffentlichkeit gerückt. Plötzlich gilt das oft nur am Rande wahrgenommene Politikfeld als Hoffnungsträger.

 Syrische Flüchtlinge im Lager Zaatari in Jordanien. In dem vom UNHCR geleiteten Lager leben mehr als 80 000 Flüchtlinge.

Syrische Flüchtlinge im Lager Zaatari in Jordanien. In dem vom UNHCR geleiteten Lager leben mehr als 80 000 Flüchtlinge.

Foto: dpa

Und das neue, in Wahrheit aber doch alte Leitthema "Fluchtursachen bekämpfen" klingt wie ein verzweifelter Hilferuf einer europäischen Politik, die mit der aktuellen Flüchtlingskrise ganz offenbar überfordert ist - auch, weil sie sich als europäische Krise entpuppt. Das Deutsche Institut für Entwicklungspolitik - der Think Tank der deutschen Entwicklungszusammenarbeit, beschäftigte sich jetzt auf einer Diskussionsveranstaltung unter der Fragestellung "Kann Entwicklungspolitik zur Bewältigung von Flüchtlingskrisen beitragen?" mit dem Thema.

Dirk Messner, Direktor des Instituts mit Sitz in Bonn, machte zum Auftakt der Veranstaltung auch auf die Versäumnisse aufmerksam. Er zitierte den britischen Entwicklungsexperten Kevin Watkins: "Eigentlich ist es beschämend, dass wir die schon lang anhaltende globale Flüchtlingskrise erst entdecken, wenn die Menschen bei uns an der Tür anklopfen." Für Messner ergibt sich daraus bereits die erste Herausforderung für die Zukunft: Wir haben die globale Flüchtlingsproblematik übersehen - wie verhindern wir, dass sich dies wiederholt?

Was also kann Entwicklungspolitik tun? Julia Leininger sprach sich dafür aus, die Schwerpunkte der Entwicklungspolitik zu verändern, sich wieder mehr auf Friedenssicherung und Krisenprävention zu konzentrieren. "Flüchtlingskrisen entstehen in der Regel in fragilen Staaten", erklärte die DIE-Mitarbeiterin. Fluchtstaaten seien in der Regel Staaten, die ihren Bürgern keine Leistungen (wie Bildung oder Gesundheitsversorgung) bieten, die keine Sicherheit gewährleisten können und in denen die Regierungen, selbst wenn sie funktionieren und eine ausgeprägte Staatsgewalt existiert, keine Legitimität haben, sondern sich auf Repression stützen wie in Eritrea. Treffe nur eins dieser drei Merkmale zu, sei es entwicklungspolitisch sinnvoll, vorbeugend aktiv zu werden, um einer möglichen Destabilisierung entgegenzuwirken.

"Flucht ist ein Symptom sehr abrupt gescheiterter Entwicklung", erklärte Bernhard Trautner. In Syrien sei eine Flüchtlingskrise zur Fluchtursache mutiert. Die Internationale Gemeinschaft habe den Menschen, die in die Nachbarländer geflohen sind, 2014 signalisiert: Wir können euch nicht versorgen, wir können eure Kinder nicht beschulen, seht zu, wo ihr bleibt. Ein Jahr später haben sich Tausende auf den Weg nach Europa gemacht. "Wirklich groß", warnte Trautner, "wird das Problem aber erst, wenn die Aufnahmeländer in der Region scheitern."

Auch Messner mahnte, der Kollaps dieser Länder müsse verhindert, die Situation in den Aufnahmelagern dringend verbessert werden. Und er erinnerte an die Erfahrungen in den achtziger Jahren etwa in Lateinamerika: Damals hätten die politischen Stiftungen erfolgreich auf die Zeit nach den Diktaturen und auf den demokratischen Übergang hingearbeitet. Ähnlich könne man jetzt auch in der Krisenregion im Mittleren und Nachen Osten vorgehen.

Wird der Klimawandel den Migrationsdruck verstärken? DIE-Experte Benjamin Schraven warnte vor Prognosen: "Die Zahlen sind sehr unsicher." Dennoch gebe es Handlungsbedarf. "Alles, was die Folgen des Klimawandels abmildert, ist gut." Entwicklungspolitik solle hier vor allem auf lokaler Ebene Anpassungsmaßnahmen fördern.

Klar ist: Um Fluchtursachen zubekämpfen, muss das entwicklungspolitische Rad nicht neu erfunden werden. Julia Leininger warnt aber auch vor zu hohen Erwartungen: "Entwicklungspolitik allein kann Flüchtlingskrisen nicht verhindern. Das wäre eine Überforderung."

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