Minister sieht eine dramatische Finanzlage

Gernot Mittler besucht zwei mittelständische Unternehmen im Kreis Ahrweiler - Gute Struktur und relativ geringe Arbeitslosigkeit werden hervorgehoben - Kein Konversionsstandort

  Im Stoßdämpfer-Werk:  (von links) Stadtrat Rudi Frick, Werksleiter Hans-Josef Böckmann, Gernot Mittler, Bernd Greulich und Petra Elsner.

Im Stoßdämpfer-Werk: (von links) Stadtrat Rudi Frick, Werksleiter Hans-Josef Böckmann, Gernot Mittler, Bernd Greulich und Petra Elsner.

Foto: Vollrath-Pressebild

Kreis Ahrweiler. 100 000 Übertöpfe, Schalen und Vasen produziert die Firma, täglich, - nicht in China oder Osteuropa, sondern in zwei Werken in Wachtberg-Adendorf und Grafschaft-Gelsdorf.

Das überraschte auch den rheinland-pfälzischen Finanzminister Gernot Mittler (SPD) bei seinem Besuch der Soendgen Keramik GmbH. Der Familienbetrieb seit 111 Jahren arbeitet in drei Schichten - 150 Mitarbeiter insgesamt, 120 in der Produktion - und hält dem massiven Wettbewerbsdruck aus den Billiglohn-Ländern stand.

Mittler hörte von Ralf Rammo und Björn Hansen aus der Geschäftsführung, dass die Produktion unter kräftigen Preiserhöhungen bei Energie und Rohstoffen sowie steigenden Auflagen beim Personal- und Umweltbereich leide. "Trotz dieser erschwerenden Bedingungen hält Soendgen am Produktionsstandort Deutschland fest", erklärten sie Mittler.

Mit modernen Fertigungsstraßen, konsequentem Kostenmanagement und innovativem Design - Keramikwaren gehören nicht zur Befriedigung der allgemeinen Lebensbedürfnisse - expandiert Soengen als führender Hersteller auch im Exportgeschäft, beliefert zum Beispiel gemeinsam mit dem größten Orchideenzüchter der Welt in Florida die größte Baumarktkette weltweit.

Ein weiteres aktuelles Bild der wirtschaftlichen Situation im Kreis gewann Mittler durch eine Besichtigung der Firma Mannesmann-Sachs AG in Bad Neuenahr-Ahrweiler. Der Betrieb mit 400 Beschäftigten beliefert viel namhafte Automobilhersteller, dabei zum Beispiel BMW und Ford, mit Stoßdämpfern.

Den harten Wettbewerb - Preise sinken und Kosten steigen - könnten sie nur bestehen durch stetige Verbesserung der Produktionsintensität, Innovationen in der Fertigung und beim Produkt sowie strikter Termindisziplin, hatte Mittler erfahren.

Der IHK-Geschäftsführer im AW-Kreis, Bernd Greulich, der ebenso wie MdL Petra Elsner (SPD) den Minister begleitete, sprach in den Firmen auch ihre Bereitschaft an, Auszubildende einzustellen. Mittler sagte gegenüber der Presse, er sage den Firmen immer, "nehmt doch Auszubildende auf, ich kann doch auch keine Lehrer entlassen".

Allerdings habe die Finanzverwaltung ihr Personal um 13 Prozent verringert, obwohl sich die Arbeitbelastung deutlich erhöht hätte. So hätten unter anderem die Finanzämter heute 42 statt früher 18 Stunden für den Bürger geöffnet. "Nicht allen Kommunen geht es gleich schlecht", eine Reihe von ihnen hätten jetzt höhere Gewerbesteuereinnahmen.

Insgesamt stufte Mitter die öffentliche Finanzlage überall "als dramatisch" ein. Das Land werde in 2005 rund 600 Millionen Euro wenige einnehmen als im Jahr 2000, doch seien im selben Zeitraum die Personalausgaben um 600 Millionen Euro gestiegen.

Er räumte auch ein, dass die Versorgungszahlungen des Landes immens steigen. "2004 hat Rheinland-Pfalz 31 000 Versorgungsempfänger, in 2020 werden es etwa 52 000 sein", sagte Mittler.

Der Finanzminister meinte auch als Kundiger im Kreis - er stammt aus Mendig und besucht das Ahrtal auch privat -, dass der AW-Kreis im Landesvergleich recht gut da stehe: "Die Arbeitslosigkeit liegt deutlich unter dem Landesdurchschnitt." Dennoch, es würden nicht nur besonders strukturschwache Landesteile unterstützt.

"Der Kreis Ahrweiler steht bei der Förderung nicht hinter anderen Landesteilen zurück", sagte Mittler im Hotel Krupp. Die Entscheidung für eine Landesgartenschau 2008 in Bingen sei bis zuletzt im Kabinett offen gewesen.

Letztlich habe das Gutachten des Instituts den Ausschlag gegeben, wonach für Bingen der "höhere Grenznutzen" spreche: Jeder dort investierte Cent bringe dort mehr Profit als in Bad Neuenahr-Ahrweiler und Sinzig. Insbesondere auch, weil in Bingen anders als an der Ahr 2008 dauerhafte Bauten entstünden und es Weltkulturerbe sei.

Als Konversionsstandort wollte er Bad Neuenahr-Ahrweiler nicht sehen, trotz Arbeitsplatzverlusten bei der Bundeswehr, durch Regierungsumzug und Rückgang der Kurgäste. "Der Bonn-Berlin-Ausgleich ist ein Erfolg", meinte er.

Und Bad Neuenahr-Ahrweiler hätte mehr Gäste als alle vier Staatsbäder in Rheinland-Pfalz zusammen. Keine Aussage wollte Mittler zum Zeitpunkt eines Lückenschlusses der B 266 neu oberhalb von Bad Neuenahr machen. Der Bundeswegeplan sei zurzeit einfach unterfinanziert. Trotz nüchterner Einschätzung versicherte der Mendiger: "Ich identifiziere mich mit dem Norden des Landes."

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